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Verloren

Verloren

Titel: Verloren
Autoren: Kathryn Taylor
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Hoteleingang, als er drangeht.
    »Dad, ich bin’s, Sophie. Was gibt es denn?«, frage ich und nicke mit letzter Kraft Daniela Bini zu, die an der Rezeption steht und mich anstrahlt.
    Mein Vater schweigt, und ich bleibe auf dem Weg zum Fahrstuhl abrupt stehen, fühle, wir sich die Härchen in meinem Nacken aufstellen.
    »Dad?«
    Er räuspert sich, zwingt sich offenbar zur Ruhe, und Angst kriecht mir kalt über den Rücken.
    »Ist was mit Mum? Ist ihr was passiert? Sag schon!«
    »Nein, mit Mum ist alles in Ordnung, so weit jedenfalls«, sagt er, und ich will mich gerade entspannen, als er mit gepresster Stimme hinzufügt: »Aber wir haben ein anderes Problem. Ach, was rede ich – es ist eine verdammte Katastrophe!«

24
    Das Hauptgebäude der La Sapienza wird von der Nachmittagssonne angestrahlt und hat dadurch trotz der klotzigen Architektur, die mir so wenig gefällt, auch etwas Majestätisches, Eindrucksvolles. Doch ich registriere es nur im Vorbeigehen, bin zu beschäftigt damit, das eisige Gefühl zu unterdrücken, das immer stärker wird, je näher ich dem Kunsthistorischen Institut komme.
    Auf der Außentreppe sitzen einige Studenten, die so in ihr Gespräch vertieft sind, dass sie mich gar nicht beachten. Doch als ich das Gebäude betrete, stehen ausgerechnet die drei Studentinnen vorne im Eingangsbereich, die Matteo bei meinem ersten Besuch hier wegen der Teilnahme an seinem Kurs so bekniet haben. Ich erkenne sie sofort, sie haben sich mir einfach eingeprägt. Und auch sie scheinen mich nicht vergessen zu haben, denn sie beenden sofort ihre Unterhaltung und starren mich an, fangen dann an zu tuscheln, während ich an ihnen vorbeigehe. Was ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann, schließlich macht es mich schon nervös genug, dass ich wieder hier bin – und Matteo erneut um etwas bitten muss.
    Aber diesmal ist es schlimmer – diesmal hängt wirklich sehr viel davon ab, dass ich ihn überzeugen kann. Und diesmal habe ich noch viel weniger Hoffnung als letztes Mal, dass er es tun wird.
    Die letzten achtundvierzig Stunden waren so ziemlich die schlimmsten meines bisherigen Lebens. Es ist, als hätte ich plötzlich in jeder Hinsicht keinen Boden mehr unter den Füßen, als würde alles, auf dem mein Leben ruhte, ins Wanken geraten und in sich zusammenbrechen. Unsere gesamte Existenz steht auf dem Spiel, und mit ihr die Zukunft, so wie ich sie mir ausgemalt hatte. Und es ist fast schon Ironie des Schicksals, dass ich ausgerechnet zu dem Mann gehen muss, der mich gefühlsmäßig völlig aus der Bahn geworfen hat, um das Schlimmste zu verhindern. Aber wir brauchen Matteo – so sehr ich es auch hasse, das zuzugeben.
    Alles, wirklich alles habe ich versucht, um nicht in diese Situation zu kommen. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt, als mein Vater darauf bestanden hat, dass er der Einzige ist, der uns helfen kann, ich habe argumentiert und mich gewunden, ich habe telefoniert und abgewogen, diskutiert und recherchiert – und musste mich schließlich doch geschlagen geben. Es gibt keine andere Möglichkeit, und als ich vorhin endlich eingesehen hatte, dass ich es versuchen muss, habe ich mich gleich auf den Weg zur Uni gemacht. Weil es keinen Sinn hat, es weiter aufzuschieben.
    Hastig durchquere ich den Flur und gehe dann die Treppe hinauf in den ersten Stock. Heute ist Montag, und da ich Matteos Stundenplan an der Uni inzwischen kenne, weiß ich, dass er heute zwei Veranstaltungen hat. Die zweite beginnt in einer halben Stunde, und er ist meistens schon etwas früher da, um alles vorzubereiten.
    Vor seiner Bürotür bleibe ich stehen und atme tief durch, dann klopfe ich entschlossen und schließe kurz die Augen, als ein knappes »Avanti!« von drinnen ertönt.
    Auf Matteos Gesicht liegt ein Lächeln, als ich die Tür öffne, doch es verschwindet wieder, sobald er erkennt, dass ich es bin, die ihn sprechen will.
    Ich muss mich zusammenreißen, um es zu schaffen, die Tür ganz ruhig wieder zu schließen und mich auf den Besucherstuhl zu setzen, denn innerlich bebe ich.
    Wie es in Matteo aussieht, kann ich nicht erkennen, denn er hat sich wieder gefangen und seine Gesichtszüge unter Kontrolle.
    »Sophie! Was verschafft mir die Ehre?« Sein Tonfall ist sarkastisch und so lächelt er auch, doch die Überraschung, die eben auf seinem Gesicht lag, war echt – was mich erleichtert. Ein bisschen hatte ich befürchtet, dass er auch diesmal weiß, warum ich gekommen bin.
    »Dann hast du es noch nicht
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