Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verloren

Verloren

Titel: Verloren
Autoren: Kathryn Taylor
Vom Netzwerk:
gehört?«, frage ich, froh darüber, dass die Geschichte wirklich noch nicht die Runde gemacht hat.
    »Was gehört?« Irritiert hebt er die Augenbrauen.
    »Dass der Enzo, den wir an einen unserer Stammkunden verkauft haben, angeblich eine Fälschung ist«, erkläre ich ihm und stoße die Luft aus, weil mir immer, wenn ich das laut ausspreche, wieder klar wird, was für eine Katastrophe das für uns ist. »Ein Freund von Lord Ashbury, dem Käufer, ist Kunstexperte, und er behauptet, das Bild sei eine Fälschung. Und da wir dem Verkauf im Vorfeld der Auktion zugestimmt haben – du weißt selbst, wie ungewöhnlich das ist – glaubt Lord Ashbury jetzt, dass es stimmt. Dass wir wussten, dass es kein Original ist, und deshalb versucht haben, das Bild unter der Hand an einen Privatmann zu verkaufen, damit es nicht publik wird.« Ich zucke mit den Schultern. »Und jetzt sitzen wir in der Zwickmühle. Wir können das Bild nicht wieder zurücknehmen, weil das wie ein Schuldeingeständnis wäre, aber wir können das auch nicht auf uns sitzen lassen. Wenn sich das in der Branche herumspricht, ist unser Ruf ruiniert und wir verlieren das Vertrauen unserer Kunden. Und das wäre für uns …«
    Matteo erhebt sich, obwohl ich noch gar nicht fertig war, und geht ein paar Schritte – viele kann er nicht machen, weil der Raum so klein ist. Offenbar ahnt er schon, was ich von ihm will. Er dreht sich um und fixiert mich wieder.
    »Ich fliege nicht nach London, Sophie«, sagt er, und es klingt endgültig.
    »Aber das musst du, Matteo, ich bitte dich«, flehe ich ihn an. »Lord Ashbury wäre damit einverstanden, dass du auf unsere Kosten eine Expertise anfertigst – in seinem Haus, sodass er alles überwachen kann. Solange wartet er noch und macht die Sache nicht öffentlich, und wenn du die Zweifel ausräumen kannst, wäre alles wieder gut.«
    »Ich stehe aber nicht zur Verfügung«, erklärt er und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Es gibt andere Experten, die das übernehmen können. Wendet euch an die.«
    »Glaub mir, ich würde dich nicht fragen, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe«, erwidere ich hitzig, weil ich spüre, wie hilflose Verzweiflung in mir aufsteigt. »Du bist nun mal der führende Enzo-Experte, und da du dir durch die gewagten Thesen, die du so gerne aufstellst und gegen deine Wissenschaftskollegen durchsetzt, außerdem den Ruf erworben hast, unbestechlich zu sein, will Lord Ashbury nur dein Urteil akzeptieren.«
    Matteo schüttelt den Kopf und setzt sich wieder auf seinen Stuhl, blickt mich an, und erst jetzt fällt mir auf, wie schlecht er aussieht. Also nicht schlecht, aber für seine Verhältnisse schlechter als sonst. Blasser. Und irgendwie fahriger.
    »Sophie, ich glaube, du hast da von Anfang an etwas missverstanden. Ich bin kein Experte, den man einkaufen kann. Ich brauche das Geld nicht, und ich muss auch niemandem mehr beweisen, dass ich ein fähiger Wissenschaftler bin. Deshalb übernehme ich Gutachten grundsätzlich nur, wenn für mich die Voraussetzungen stimmen. Und das tun sie bei eurer Anfrage nicht. Wenn du also nur gekommen bist, um mich darum zu bitten, dann können wir diese Sache abkürzen: Die Antwort lautet nein. Und das ist endgültig.«
    Doch das will ich nicht akzeptieren. »Bitte, Matteo. Diese ganze Sache ist für uns eine echte Katastrophe.«
    Er lächelt wieder dieses Lächeln, an dem alles abprallt. »Aber es ist nicht meine Katastrophe«, sagt er.
    Ich kann meine Enttäuschung kaum in Worte fassen. Weil ich seine Ablehnung zwar befürchtet hatte, aber weil da doch die Hoffnung in mir war, dass er nach allem, was wir geteilt haben, so viel für mich empfindet, dass er diese eine, wirklich wichtige Sache für mich tut. Stattdessen erzählt er mir was von Voraussetzungen, die ich nicht erfülle, und sieht mich gleichzeitig an, als hätte ich von ihm verlangt, dass er sich an einem Bungee-Seil kopfüber in eine Schlucht stürzt.
    »Ich glaube, ich habe mich noch nie so in einem Menschen getäuscht wie in dir«, sage ich und meine es so, stehe auf und gehe zur Tür. Als ich mich noch einmal umblicke, steht er ebenfalls und auf seinem Gesicht liegt ein bedauernder Ausdruck, den ich fast noch schlimmer finde als alles andere.
    »Es tut mir leid«, sagt er, und ich schüttele den Kopf, weil es so wehtut.
    »Ich dachte, wir wären zumindest Freunde«, erwidere ich. Dann drehe ich mich um und gehe, ziehe die Tür hinter mir ins Schloss.
***
    »Unsere gemeinsamen Vormittage werden mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher