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Verloren

Verloren

Titel: Verloren
Autoren: Kathryn Taylor
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fürchten, falls unsere Beziehung bekannt würde, und uns blieben nur einige wenige glückliche Jahre. Aber mein Vater hat mir das nie vorgeworfen. Nie. Er war ein sehr entschlossener Mann, in allem, was er tat, und für ihn stand seine Familie immer an erster Stelle. Als ich dann schwanger wurde und Tommaso bekam, hat er ihn geliebt, vom ersten Moment an, genau wie ich, und niemand hätte es in seiner Gegenwart gewagt, ein schlechtes Wort über ihn oder mich zu verlieren! Dafür war ich ihm sehr dankbar.« Sie seufzt. »Matteo erinnert mich auch in dieser Hinsicht sehr an ihn.«
    Für einen Moment betrachten wir beide schweigend das Bild, und ich überlege, was genau sie mir eigentlich sagen will. Als hätte sie meinen Gedanken erraten, spricht sie weiter.
    »Matteo ist mir besonders nah, wissen Sie. Es war schrecklich für mich, meinen einzigen Sohn zu verlieren, aber ich glaube, für Matteo war es noch viel schwerer. Ich war froh, dass ich mich wenigstens um ihn kümmern konnte. Seinetwegen hatte ich eine Aufgabe, die mich von meiner Trauer abgelenkt hat, und ich habe alles getan, um es für ihn erträglicher zu machen.« Wieder seufzt sie tief. »Manchmal frage ich mich allerdings, ob mir das wirklich gelungen ist. Er war noch so jung damals und er musste schon damit leben, dass seine Mutter ihn verlassen hatte. Für ihn brach nach Tommasos Tod eine Welt zusammen. Und dann, als er es endlich geschafft hatte …« Sie spricht es nicht aus, aber das braucht sie auch nicht, ich weiß, dass sie den Flugzeugabsturz meint. In ihren Augen schimmern erneut Tränen. »Ich wünsche mir nicht mehr viel im Leben, aber ich möchte, dass er wieder glücklich ist. Wieder heil.« Sie nimmt meine Hand, und ihr Blick wird eindringlich. »Deshalb bin ich so froh, dass er Sie getroffen hat, Sophie. Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben, dass es eine Frau noch mal schafft, ihm nahezukommen.«
    Beklommen erwidere ich ihren Blick, nicht sicher, ob diese Hoffnung berechtigt ist. »Es ist nicht, wie Sie denken. Matteo und ich – wir sind kein Paar. Jedenfalls nicht so«, füge ich dann mit leicht geröteten Wangen hinzu, weil ich einfach nicht weiß, wie ich das der alten Dame gegenüber ausdrücken soll, dass wir zwar leidenschaftlichen Sex haben und die Hände kaum voneinander lassen können, ich aber keine Ahnung habe, was er tatsächlich für mich empfindet. Sie scheint mich jedoch zu verstehen, denn sie lächelt traurig.
    »Es ist nicht mehr leicht, ihn zu erreichen, das weiß ich«, sagt sie seufzend und drückt meine Hand. »Aber die meisten lässt er es gar nicht erst versuchen, Sophie. Sie sind für ihn etwas Besonderes – das habe ich gleich gesehen, damals auf Giacomos Empfang. Bei Ihnen ist er anders, viel lebendiger.«
    Ich möchte ihr so gerne glauben. »Das stimmt nicht. Mich lässt er auch nicht an sich heran. Es gibt so viele Dinge, über die er nicht spricht, die ich einfach nicht weiß. Zum Beispiel weigert er sich, mir zu sagen, was diese furchtbare Narbe verursacht hat. Es ist, als wäre das etwas, an das ich nicht rühren darf.«
    Valentina ist blass geworden, offensichtlich erinnert auch sie sich nicht gern an das, was Matteo passiert ist. Für einen Moment glaube ich sogar, die gleiche Abwehr in ihren Augen zu erkennen, die in denen ihres Enkels liegt, so als wäre das tatsächlich etwas, über das man nicht sprechen darf. Oder über das sie nicht sprechen darf.
    Sie senkt den Kopf, muss sich deutlich überwinden, doch dann sieht sie mich wieder an. »Er ist durch eine Glastür gestürzt und wäre fast an den Schnittwunden verblutet. Die Ärzte haben lange um sein Leben gekämpft, weil eine Scherbe so tief in seine Brust gedrungen ist, dass er fast an inneren Verletzungen verblutet wäre. Es war furchtbar knapp.« Sie schließt die Augen, sichtlich aufgewühlt. »Wir dachten, wir verlieren ihn.«
    Also tatsächlich keine Kleinigkeit, denke ich und blicke Valentina erschrocken an. Und schon gar nicht »nichts«.
    »Wann war das?«, frage ich.
    »Ein paar Wochen, bevor Giulia verunglückte.«
    »Und wie?«, hake ich nach. »Wie kam es zu dem Unfall?«
    Das ergibt alles immer noch keinen Sinn. Denn wenn es tatsächlich nur das war – ein Unfall –, wieso spricht er dann nicht darüber?
    Bedauernd schüttelt Valentina den Kopf. »Ich habe ihm versprechen müssen, dass ich es niemandem sage. Deshalb kann ich …«
    Wir schrecken beide gleichzeitig auf, weil die Tür sich öffnet und Matteo hereinkommt. Obwohl
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