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Verloren

Verloren

Titel: Verloren
Autoren: Kathryn Taylor
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dazu in den Staaten lebt und dessen Besuche selten sind, dann kommt das hier dem Idealbild, das ich mir als Kind ausgemalt habe, schon sehr nah.
    Ungefähr drei Sekunden, nachdem wir durch die Tür getreten sind, beginnt eine sehr lautstarke und herzliche Begrüßung, in die ich ohne zu Zögern und ohne Unterschied mit einbezogen werde, so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass ich an der Feier teilnehme.
    Die Frau mit den kastanienroten Haaren stellt sich mir als Vera vor und ist die Frau von Michele, der mich mit Kind auf dem Arm begrüßt. Er ist genauso groß wie Matteo, während Luca, der neben Valentina gesessen hat, etwas kleiner und drahtiger ist. Beide Männer haben tatsächlich tiefschwarzes Haar. Doch auch, wenn Matteo anders aussieht als seine Brüder – von der Art her gleichen sie sich, denn Michele und Luca haben ebenfalls diese selbstbewusste, charmante Ausstrahlung, die auf Frauen so anziehend wirkt.
    »Sophie, ich freue mich so, Sie wiederzusehen!« Valentina erreicht mich als Letzte und lächelt noch genauso freundlich, wie ich es in Erinnerung hatte. »Bitte, setzen Sie sich zu mir!« Sie klatscht in die Hände. »Und ihr setzt euch auch alle – schließlich können wir jetzt anfangen, wo alle da sind.«
    Das Chaos lichtet sich fast augenblicklich. Die Kinder kehren auf ihre Plätze zurück, genau wie die Erwachsenen, und sogar der ganz kleine – Marco, Micheles und Veras Jüngster – beruhigt sich wieder, sieht vom Schoß seines Vaters aus zu, wie die Hausangestellten die Vorspeise des Geburtstagsessens bringen – herrlich frische Bruschetta, auf die sich vor allem die Kinder mit Heißhunger stürzen. Neben der älteren, korpulenten Frau namens Gaia gibt es noch zwei jüngere Frauen, die ihr beim Servieren helfen.
    Die Tatsache, dass das niemand von der Familie tun muss, ist neben dem fantastischen Ausblick und den kostbaren Möbeln jedoch die einzige Erinnerung daran, dass in diesem Haus Geld keine Rolle spielt. Denn alle benehmen sich normal und angenehm ungezwungen, und ich fühle mich auf völlig unkomplizierte Art und Weise wohl in ihrem Kreis. Zur Unterhaltung, die größtenteils auf Italienisch stattfindet, kann ich zwar nicht viel beitragen, aber ich höre gerne zu, lache mit und beantworte die Fragen, die sie mir immer wieder – auf Englisch – stellen, um mich mit einzubeziehen. Zum Glück betreffen sie nur mich und nicht mein Verhältnis zu Matteo.
    Sie machen es mir leicht, denke ich, während ich den Blick über die Gesichter gleiten lasse. Weil sie so herzlich sind und aufgeschlossen. Nur Matteo, der neben mir sitzt, ist anders. Er lächelt zwar und kommentiert auch oft schlagfertig die Bemerkungen seiner Brüder und seiner Schwägerinnen. Aber wenn er gerade nicht beteiligt ist an der Unterhaltung, dann ruhen seine Augen auf mir. Er beobachtet mich, aber den liebevollen Ausdruck, der dabei manchmal auf seinem Gesicht liegt, wenn wir allein sind, kann ich nicht entdecken. Er sieht mich eher so an, als wäre ich für ihn plötzlich eine Fremde, deren Anwesenheit ihn irritiert. Wenn unsere Blicke sich treffen, lächelt er unverbindlich, weicht mir aber meist schnell wieder aus, was mir jedes Mal einen kleinen, schmerzhaften Stich versetzt.
    Und dann, als nach drei wirklich leckeren Gängen noch Kaffee und Geburtstagstorte gereicht werden, kommt doch noch einer dieser Sätze, vor denen ich mich die ganze Zeit über gefürchtet habe.
    »Wurde auch Zeit, dass du endlich mal wieder eine Frau mitbringst, Matteo.« Es ist Luca, der das sagt, und er tut es nicht, um seinen Bruder zu provozieren, das sieht man seinem Blick an. Er scheint tatsächlich erleichtert zu sein, aber ich blicke trotzdem sofort erschrocken zu Matteo, der sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt hat.
    »Auf ausdrücklichen Wunsch von Nonna – der ich nichts abschlagen kann«, erklärt er mit einem kühlen Lächeln, und es ist ganz klar eine Botschaft an mich und an alle anderen, in meinen Besuch nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Ich bin nur hier, weil Valentina das wollte, nicht weil er das Bedürfnis hatte, mich seiner Familie vorzustellen – das will er damit deutlich machen. Und es trifft mich härter, als ich dachte, fühlt sich an, als hätte er mich zurückgestoßen.
    »Ich würde jetzt wirklich gerne wissen, was in dem geheimnisvollen Paket ist, das da vorne steht«, erklärt Valentina, die entschlossen scheint, das Thema nicht weiter zu vertiefen, und funkelt ihren Enkel
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