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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht
Autoren: Jeaniene Frost
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den Schmerz löschen, der von der Messerklinge ausging.
    »Du hältst sie für ein Zeichen von Schwäche. Glaubst, ich hätte aufgegeben, genau wie du glaubst, dein Körper würde dich stärker machen. Falsch . Dein Körper macht dich schwach, und meine Tränen sind stärker als jede dir bekannte Waffe.«
    Kramer beugte sich vor, sodass mir sein übelriechender Atem ins Gesicht schlug. »Du weinst gern? Dann werde ich dafür sorgen, dass du weiter weinen kannst.«
    Dann legte er stirnrunzelnd den Kopf schief. Wieder ließ er die Hand über meinen Körper gleiten, argwöhnisch diesmal.
    »Du fühlst dich … seltsam an«, murmelte er.
    »Vibriere ich?«, fragte ich ihn, meine Stimme ein kehliges Flüstern. »Fühlst du dich zu mir hingezogen wie damals, als du mir über die Energielinie nach Ohio, Saint Louis, Sioux City und in das Farmhaus gefolgt bist? Weißt du, warum das Gefühl jetzt wieder so stark ist?«
    Er streckte die Hand aus, fuhr mir über das Gesicht und starrte die pinkfarbene Flüssigkeit auf seinen Fingern sorgenvoll, nicht triumphierend an.
    »Irgendetwas ist darin«, meinte er.
    »Ganz genau«, sagte ich, jedes Wort genießend. »Macht.«

37
    Als Maries geborgte Fähigkeiten in mir noch frisch gewesen waren, hatte ich die Restwesen herbeilocken können, indem ich mir eine blutende Wunde zufügte. Wollte ich aber Geister heraufbeschwören, musste ich Tränen vergießen. Inzwischen hatte die Macht der Voodoo-Königin in mir nachgelassen, sodass meine Tränen nicht mehr alle Geister im Umkreis anzogen. Geister, die sich aber ganz auf mich konzentrierten und mich unbedingt finden wollten wie Fabian und Elisabeth, die würden doch bestimmt erscheinen.
    Ja, dafür hatte ich noch genug Power. Die Laterne, die Kramer auf dem Boden abgestellt hatte und uns mit ihrem Unheil verkündenden Flackern Angst einjagen sollte, würde uns von oben nur noch besser sichtbar machen.
    Kramer fuhr zurück und wischte sich die Hand an der Tunika ab, als wären meine Tränen Gift. »Ich werde sie dir ausbrennen, Hexe !«
    Ich hatte meine Nachricht gesendet, da war ich mir sicher, und jetzt konnte Kramer sich auf was gefasst machen.
    »Das möchte ich sehen.«
    Er schnappte sich die Laterne, und man sah an seinem Blick, dass er diesmal nicht bluffte. Was er in meinen Tränen gespürt hatte, hatte ihm wohl gesagt, dass es ein zu großes Risiko war, mich erst noch zu vergewaltigen und zu foltern. Mein Herz hatte er mit seinem Messer um etwa einen Zentimeter verfehlt, also zögerte ich nicht, meine Arme nach unten zu reißen, um die Metallschellen zu zerbrechen, die mich hielten. Die Bewegung verschob das Messer in mir ein Stück, aber nicht so weit, dass es mir ins Herz gedrungen wäre, und bevor Kramer doch noch dafür sorgen konnte, riss ich mir die Klinge auch schon aus der Brust. Noch zwei ruckartige Bewegungen, und auch meine Füße waren frei, sodass nur die trockenen Maiskolben am unteren Ende des bloßen Pfahles Feuer fangen konnten, als Kramer seine Laterne nach mir warf.
    Zischend gingen sie in Flammen auf, da sie auch etwas von dem Benzin abbekommen hatten, mit dem Kramer mich übergossen hatte. Ich war so weit zurückgewichen, dass ich nicht doch noch durch die Dämpfe in Brand geraten konnte, aber Kramer hatte auch Lisa und Francine mit Benzin übergossen. Und die um diese Jahreszeit hohen und vor Dürre knisternden Maispflanzen um uns herum wirkten wie große, schlanke Streichhölzer.
    Kramer heulte vor Wut, als die Laterne mich verfehlte. Sarah warf noch einen Blick auf das Feuer und begann, so schnell sie konnte, von der Lichtung wegzukrabbeln. Ich lief zu Francine, stieß mit Wucht ihren Pfahl um und riss ihr die Metallschellen von den Hand- und Fußgelenken. Durch ihren Knebel hindurch keuchte sie vor Schmerz, aber Kramer hatte seinen schauerlichen Plan noch nicht aufgegeben. Er griff nach den brennenden Maiskolben und warf einen nach uns.
    Wo Francines Pflock gestanden hatte, brach sofort Feuer aus, aber ich konnte sie rechtzeitig wegziehen.
    »Lauf!«, rief ich und gab ihr zur Unterstützung noch einen Schubs. Lisas gedämpfte Schreie sagten mir, was ich bereits wusste – dass Kramer sich jetzt auf sie konzentrierte. Grinsend warf er einen brennende Maiskolben nach ihr und schien dabei nicht einmal zu bemerken, dass der Saum seiner Kutte durchs Feuer schleifte.
    Ich konnte nicht mehr rechtzeitig zu Lisa gelangen. Francine aus dem benzingetränkten Kreis zu ihren Füßen zu befreien hatte mich kostbare
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