Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
diesem Moment trat Roman durch die Tür.
    Er kam sofort an Jiri Tisch, ohne die kleine Chefin eines Blickes zu würdigen, und fragte laut: »Wie nennt man die Schambehaarung einer Liliputanerin?«
    Jiri zuckte fassungslos mit den Achseln.
    »Zwerchfell«, sagte Roman grinsend.
    Mit einem Wutschrei stürzte sich die Zwergwüchsige auf ihn, Roman bedachte sie mit einem gewaltigen Fußtritt, der sie hinter die Theke beförderte, wo sie wimmernd liegen blieb.
    »Glotz nicht so blöd«, fuhr Roman die vierschrötige Kellnerin an, »bring Kaffee, aber hurtigen Schenkels und in netter Form, oder muss ich dir auch eine scheuern?«
    Wortlos zog sich die Bedienung zurück.
    »Und nun bau auf, ich will hier nicht den Rest meines Lebens verbringen«, blaffte Roman seinen völlig entgeisterten Schachpartner an. Sie kannten sich nur aus dem Internet, hatten etliche hochklassige Partien gespielt, und nachdem jeder 15 Siege und zehn Remis auf dem Konto hatte, wollten sie die alles entscheidende Partie Auge in Auge spielen. In diesem Café. Es sollte um zehntausend Euro gehen. Jiri merkte, wie ihm der Schweiß aus den Achselhöhlen seitlich am Körper herunterlief. Seine Finger zitterten, als er das Spiel aufbaute. Roman kriegte Weiß, spielte eine sehr seltene Offbeatvariante des Belgrader Gambits, Jiri geriet sofort in Rückstand, fing sich aber noch einmal.
    Roman sprang plötzlich auf, ging Richtung Küche und schrie: »Wenn jetzt nicht augenblicklich der Kaffee kommt, passiert ein Unglück!«
    Der Kaffee kam nicht, und das Unglück passierte, zumindest deuteten das Geschepper und Geschrei, die aus der Küche drangen, darauf hin. Roman kam zurück und zog, fast ohne hinzusehen; die blutende Kellnerin folgte auf dem Fuße mit dem Kaffee.
    Im 19. Zug musste Jiri die Dame opfern, Roman schrie: »Becherovka!«, woraufhin die Chefin augenblicklich herbeistürzte, so schnell es die kurzen Beine erlaubten, und den würzigen tschechischen Kräuterlikör servierte. Sie fragte Jiri erst gar nicht, ob er vielleicht auch einen wolle.
    Wenige Minuten später war das Spiel zu Ende. Zehntausend Euro wechselten den Besitzer, und Jiri verließ das Café.
    Roman rief: »Kommt her, Mädels, lasst uns feiern!«
    Die Damen brachte Schampus und setzten sich.
    »Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Roman und hob das Glas, »ihr wart klasse, wie immer, aber der Typ spielt einfach toll, und die Falle mit der geopferten Dame hab ich echt nicht gerafft. Was soll's, habe schon ein neues Opfer im Visier, prost!«
    »Danke für die Recherche«, sagte Jiri zu Wenzel, dem Privatdetektiv, und schob ihm den Umschlag mit tausend Euro über den Tisch des Ecklokals. »Ist doch gut zu wissen, dass der Schachpartner früher mal Mitglied einer berühmten tschechischen Stunttruppe war, zusammen mit einer großen und einer sehr kleinen Frau, und seit einiger Zeit mit ihnen ein Café betreibt.«
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

DER FRAUENFLÜSTERER
    Ich kannte sie jetzt genau zwei Monate. Es ist wichtig, dass man sich solche Daten merkt, um sie bei passender Gelegenheit einstreuen zu können: »Hey, weißt du, dass wir uns jetzt genau seit 244 Stunden und 23 Minuten kennen? Ich habe jede davon genossen - und du?«
    Kennengelernt hatten wir uns im Supermarkt. Sie hatte ihr Portemonnaie vergessen, und ich stand zufällig hinter ihr an der Kasse. Glaubte sie, also das mit dem Zufall.
    Die Kassiererin hatte alles gescannt und sagte: »Das macht dann 43,60 bitte.«
    Tasche öffnen, gucken, Schreck, wühlen, mehr Schreck, noch mal wühlen, Panik, gehetzt um sich gucken.
    »Oh, das ist mir jetzt so was von peinlich, ich hab mein Geld vergessen, das ist mir noch nie passiert, was machen wir denn jetzt?«
    »Was Sie machen, weiß ich nicht, aber ich storniere jetzt das ganze Zeug«, brummte die Kassiererin, offensichtlich noch vom alten Schlag, noch nicht durch die modernen Selling-Schulungen gegangen, von wegen »Einen schönen Nachmittag noch für Sie!«.
    Ich reiche ihr einen Fuffi rüber und sage: «Gestatten Sie mir, Ihnen aus der Verlegenheit zu helfen?«
    Sie: »Oh, das ist ... aber ich kenne Sie doch gar nicht!«
    Ich: »Nun, das muss ja nicht so bleiben.«
    Die bauchfreie, gepiercte 16-Jährige hinter mir in der Schlange verdrehte fast hörbar die Augen. Um es kurz zu machen: Erstschlag, Treffer, versenkt. Abendessen, nach Hause bringen, zweites Treffen Essen, Kino, nach Hause bringen, scheuer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher