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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt!
Autoren: Thorsten Nesch
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mich mit seiner rauen Stimme.
    Ich bleibe stehen, – Oh Mann, Pernod, was darf’s denn heute sein?
    – Wie ist denn der Wechselkurs?, spielt er unser Spiel und zieht eine Hand aus der Tasche. Er zeigt mir drei Kupfermünzen, seine Hand zittert so stark, dass ich nicht erkennen kann, ob es Einser oder Zweier sind.
    – Zehn.
    Er überlegt, wiegt den Kopf hin und her und sagt, – Nicht gut aus dem Bett gekommen?
    – Nicht wirklich.
    – Kein guter Morgen.
    – Nein.
    – Dann gut.
    Also wechseln wir das Geld. Er gibt mir den Einer und ich ihm das Zehn-Cent-Stück.
    2 , 71  Euro, denke ich, reicht auch noch. Und ich frage, – Irgendwas gehört vom Haus?
    – Nein, noch keine Post.
    Er hat mir erzählt, dass auf diesem Grundstück einst das Haus seiner Familie stand und dass sie es wegen der Bahnstrecke abgerissen haben. Deswegen ist er erst obdachlos geworden und dann arbeitslos, und deshalb wohnt er jetzt nur noch im Keller. Den Eingang dazu habe ich schon öfter gesehen. Drinnen bin ich noch nicht gewesen. Als er mir mal eine Führung angeboten hat, habe ich dankend abgelehnt. Weich bin ich ja nicht in der Birne. Er ist nett, aber wir befinden uns auch im Niemandsland zwischen Büschen und Schienen.
    Es könnte auch der Eingang zu einem Luftschutzbunker sein.
    – Bis dann, sage ich zum Abschied und ziehe die Nase hoch.
    – Pass auf in der Schule!

7

    Meine Fingernägel glänzen in den Sonnenstrahlen, die durch die großen Fenster bis auf meinen Tisch fallen.
    Vorne beginnt Herr Berntchen zu reden, nachdem er wie immer seine obligatorische braune Banane auf das Pult gelegt hat, die er stets isst, wenn wir ein Problem lösen sollen. Oder, besser gesagt, er lässt uns ein Problem lösen, wenn er seine Banane essen will. Der Duft der überreifen Frucht erreicht dann auch die letzten Bänke.
    – Kinder, wie ihr seht, habe ich einen Versuch vorbereitet, den ihr zu zweit durchführen sollt. Er soll dazu dienen, euch die physikalischen Eigenschaften des Wechselstroms näherzubringen. In Verbindung mit …
    Toll, zu zweit, und Clarissa ist nicht da. Jetzt darf ich das alleine machen. Herzlichen Glückwunsch. Ich habe schon immer diese Zweiertische in den Physikräumen gehasst. Fehlt jemand, hat man keinen Nachbarn mehr. Und man sitzt alleine vor solchen komischen Geräten. Wen interessiert das, außer die ein oder zwei, die Physik studieren werden? So, wie ich den Berntchen kenne, setzt er sich gleich zu mir und rückt mir auf die Pelle. Na, immerhin muss ich dann den Versuch nicht alleine machen und werde wohl eine gute mündliche Note bekommen. Wenn er nur nicht immer nach Knoblauchtabletten stinken würde.
    – So, Kinder, dann fangt an.
    Hä? Was soll ich machen?
    Er wendet sich mir zu, und mir fällt auf, dass er mit seinem rechten Fuß komisch auftritt. Er humpelt. Da wird die Tür aufgerissen.
    Bitte, Clarissa, sei du es!
    Aber stattdessen erscheint Schnodders geprügelte Gestalt mit den ungepflegten langen Haaren und der laufenden Nase im Türrahmen. Er grinst dümmlich den Berntchen an und murmelt etwas von verschlafen. Der nickt, schaut zu mir und zeigt dann mit dem Finger auf meinen Tisch! Was? Schnodder grinst notgeil und geht auf mich zu. Die anderen lachen. Natürlich Kussgeräusche und von irgendjemandem, – Schnodder und Elizabeth!
    Ohne mich zu melden, sage ich, – Was? Warum?
    Herr Berntchen lächelt verständnisvoll, – Elizabeth, der Versuch klappt am besten zu zweit.
    – Schn… Frank sitzt doch dahinten.
    – Aber alleine.
    – Vielleicht kommt Clarissa noch.
    – Nein, ihre Mutter hat im Sekretariat angerufen. Sie ist krank.
    – Was, wenn er nicht mehr gekommen wäre?
    – Dann hätte ich mich … aber zum Glück ist er ja da.
    Und setzt sich gerade neben mich.
    Er hält den Kopf nach vorne, grinst sein sabberndes Grinsen, Speichel im Mundwinkel, unter seiner Nase glänzt der Schnodder. Neben seiner Nase leuchtet weißgrün ein reifer Pickel, und sein linkes abstehendes Ohr durchbricht den Vorhang aus fettigem Haar, das seinen flachen Hinterkopf betont. Ein Schwall aus Schweiß und kaltem Zigarettenqualm hüllt mich ein, während ich das Weiß in seinem Auge nicht mehr sehen kann, weil er zu mir hinüberschielt wie ein Psychopath auf Freigang.
    Herr Berntchen geht durch die Reihen nach hinten, wo jemand ein Problem mit seinen Instrumenten hat.
    – Glotz nicht!, sage ich und reibe mir die Gänsehaut von meinem Arm.
    – Ich glotz nicht.
    – Sehe ich, du
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