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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde
Autoren: James A. Michener
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Freude über das Erlegen dieses edlen Tieres auszudrücken, aber seine Kehle war völlig ausgetrocknet, und er konnte nur nach unten langen und die gestürzte Antilope berühren. Dabei sah er, daß Gao Tränen über den Tod dieses Geschöpfes in den Augen hatte. Er ergriff die Hände seines Sohnes und tanzte mit ihm um die Elenantilope herum.
    »Heute warst du der erfolgreiche Jäger!« schrie Gumsto und lud die anderen ein mitzutanzen, um die Antilope und Gaos ehrliche Beteiligung zu feiern. Während sie tanzten, begann ein Mann, der daneben stand, ein Loblied auf die Antilope zu singen, die sich so tapfer verteidigt hatte.
    Den Kopf gesenkt, die Wamme schlaff, mit blutenden dunklen Augen.
    Die Sonne geht auf,
    vergessen sind die Nacht und die Schneisen...
    Sie steht, sie steht.
    Heißer Sand an den Hufen, dunkler Schmerz in der Seite.
    Die Wonne im Scheitel, vergessen Morgen und See.
    Sie steht, sie steht.
    Dunkler Kopf, weiße Linie an den Flanken, scharfe Hörner,
    Seele der sterbenden Welt, Augen, die meine Seele durchbohren.
    Sie stürzt, sie stürzt.
    Und ich bleibe zurück mit der sinkenden Sonne.
    Während die anderen Frauen Stücke von Antilopenfleisch trockneten, die sie auf die gefährliche Reise mitnehmen wollten, widmete sich Kharu den Straußen. Begleitet von Naoka, die diese Grundlage des Überlebens lernen sollte, ging sie weit nach Süden, wo sich die riesigen Vögel manchmal niederließen. Dabei kümmerte sie sich nicht um die Vögel selbst, denn die waren kaum eßbar. Sie hatte es auf die Eier abgesehen, und zwar besonders auf die alten, die noch nicht bebrütet und von der Sonne ausgetrocknet waren.
    Als sie eine Anzahl gesammelt hatten, deren Inhalt längst verdunstet war, wickelten sie sie sorgfältig in die mitgebrachten Gewänder, hängten sie über die Schulter und kehrten zum Lager zurück, wo die Männer mit großer Erleichterung sahen, wie erfolgreich sie gewesen waren. »Wir sind beinahe abmarschbereit«, sagte Kharu, als hätten sie die guten Vorzeichen bereits zufriedengestellt. Aber bevor die Sippe es wagte, sich auf den Weg zu machen, mußten sie und Naoka sich mit den Eiern befassen. Sie trugen sie zum Rand des brackigen Wassers, und Kharu bohrte mit einer scharfen Steinahle ein kleines Loch in das Ende eines jeden Eies. Dann tauchte es Naoka in den See und ließ es vollaufen. Als alle Eier Wasser enthielten, wenn auch von schlechter Qualität, untersuchte Kharu sie nach undichten Stellen und zeigte Naoka, wie man die Löcher mit zusammengedrehten Grasbüscheln verstopfte. »Die werden die Sippe am Leben erhalten, bis der Neumond zweimal aufgestiegen ist.«
    Als es an der Zeit war, die Wanderer zu versammeln, fehlte Gao, und ein junger Jäger sagte: »Er arbeitet dort oben.«
    Hoch oben, auf der Hinterseite des Hügels, fanden sie Gao in einer Art Höhle, wo er neben einem Feuer stand. Um seine Hüften hatte er einen Gürtel aus Nashornhaut geschlungen, an dem sieben Spitzen von Antilopenhörnern hingen, die seine Farben enthielten. Er hatte auf einem abschüssigen Felsen mit einer Reihe punktförmiger Tupfen seine Erinnerung an das dunkle Nashorn festgehalten, das durch seine Unachtsamkeit entkommen war. Mit einer schwungvollen Linie deutete er den Kopf vom Maul bis zum Horn an, mit einer zweiten ununterbrochenen Kontur die gewaltige Masse des Tieres vom Horn bis zum Schwanz. Am wirkungsvollsten war jedoch seine Darstellung des Hinterteils, denn er deutete mit einem raschen
    Strich sowohl die Form der Schenkel als auch deren Bewegung im Lauf an. Die quer über das Feld donnernden Vorderbeine zeigte er wiederum in einer schwungvollen Linie, wobei er die Farben benutzte, um das Tier in seiner schnellen Bewegung durch das Gras zu zeigen, das vor der dunklen Farbe des Felsens vibrierte.
    Lauf durch das Gras, dunkle Bestie! Galoppiere mit erhobenen Hörnern über die unberührte Savanne! Tausend Jahre und noch zehntausend mehr. Lauf nur frei dahin, den Kopf knapp über dem Boden, auf kraftstrotzenden Beinen, in perfekter Harmonie von Schwung und Farbe: Als er das Bild betrachtete, mußte sogar Gumsto zugeben, daß sein Sohn den Moment der Niederlage, in dem das Nashorn in die Freiheit gestürmt war, in eine glühende Aufzeichnung dessen umgestaltet hatte, was sonst ein enttäuschender Tag gewesen wäre. Und er war selbst stolz, als ein Sänger seine Stimme erhob:
    Die Erde zittert, der Himmel donnert, das Herz pocht wild.
    Es bricht aus in die Freiheit, die Erde poltert, und mit ihm
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