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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht
Autoren: Cat Clarke
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Sal gab sich richtig große Mühe, die normale, gut gelaunte Sal zu geben, aber ich kaufte es ihr nicht ab. Niemand sonst schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Ihre Eltern waren viel zu beschäftigt damit, sich um Cam zu kümmern, der in der Schule gemobbt wurde. Und jeder in unserer Schule hatte zu viel mit sich selbst zu tun, wie üblich.
    Gut ein Monat verging, und ich beobachtete Sal genau, um Hinweise zu finden. Es schien immer schlimmer zu werden. Ich bemerkte, dass sie lustlos ihr Mittagessen auf dem Teller herumschob – was gar nicht ihre Art war. Und sie schien Gewicht zu verlieren. Aber sie tat immer noch so, als wäre alles in Ordnung.
    Mein tägliches »Hi, wie geht’s?« hatte nun eine tiefere Bedeutung: »Hi, wie geht es dir wirklich ?« Aber Sal biss nicht an. Sie wurde immer distanzierter. Es war, als würde sie sich aus unserer Freundschaft zurückziehen. Es war entsetzlich.
    Am Donnerstagnachmittag vor unseren Prüfungen streiften Sal und ich durch den Park. Wir wollten zu mir, um noch für Englisch zu lernen. Nicht, dass wir etwas hätten tun müssen, aber es sollte wenigstens so aussehen , als gäben wir uns Mühe.
    Es war ein wundervoller Morgen gewesen, so ein Vogelgezwitscher-Drauflossingenwollen-Fünfzigerjahre-Film-Morgen. Aber kaum hatten wir die Schule verlassen, türmten sich schwere schwarze Wolken am Himmel auf, aus denen schließlich blödsinnig heftige Regensturzbäche herausbrachen, als wir gerade durch das Tor zum Park gingen.
    Wir standen nur da, sahen uns an und kicherten. Nach ungefähr einer Minute sahen wir aus, als hätten wir in unserer Kleidung geduscht. Ich packte Sals Arm und rannte zu einer riesigen alten Eiche bei den Schaukeln. Wir saßen mit dem Rücken gegenden Baumstamm, lachten und bibberten und sahen Müttern zu, die hektisch versuchten, wasserdichte Hauben auf Kinderwagen zu befestigen. Bald waren wir die Einzigen im Park. Der Regen trommelte immer weiter.
    Wir blieben eine Weile sitzen und ließen uns von der Vorstellung, die der Regen nur für uns gab, hypnotisieren. Sal drehte sich zu mir und sah mich an, als versuchte sie, meine Gedanken zu lesen – oder vielleicht versuchte sie, etwas in ihrem Kopf abzuwägen.
    O-oh, jetzt kommt’s. Mir wurde schlecht. Ich bekam Angst.
    »Ich muss dir was sagen.« Wusste ich, dass das, was sie mir sagen würde, alles verändern würde? Vielleicht nicht. Aber ich wusste, dass es etwas Wichtiges sein würde.
    »Ich glaub, ich bin schwanger.« Fünf Wörter, mehr brauchte es nicht. Alles, was ich herausbringen konnte, war: »Scheiße!« Schön. Gut gemacht. Sehr hilfreich.
    Sal fing an zu weinen, und es brach mir fast das Herz. Ich legte meine Arme um sie und hielt sie fest. Sie sagte immer und immer wieder dasselbe: »Was mach ich denn jetzt?« Ich sagte, dass alles gut werden würde und dass uns was einfallen würde, und ob sie sich wirklich sicher sei? Aber ich kam nicht an sie ran, also nahm ich ihr Gesicht in meine Hände, damit sie mir in die Augen sehen musste. »Hör mir zu, Sal. Bist du sicher, dass du schwanger bist? Hast du einen Test gemacht?« Sie schüttelte den Kopf und schluchzte: »Ich weiß, dass ich es bin. Ich weiß es, ich weiß es. Wie konnte das passieren?«
    Wir mussten dort bestimmt zwanzig Minuten gesessen haben, bevor ich bemerkte, dass Sal schlimm zitterte. Sie sah furchtbar aus. Wir gingen zur Bushaltestelle, ich hatte meinen Arm um Sals Schultern gelegt, sie stolperte blind und taub neben mir her. Ich glaube, sie hatte sich komplett leergeweint.
    Auf dem Nachhauseweg waren wir ganz still. Größer hätte der Schock für mich nicht sein können. Wie konnte das passieren? Ich dachte, sie sei noch Jungfrau … Sie hätte mir doch gesagt, wenn …Wann? Mit wem? Und warum hat sie es mir nicht schon vorher gesagt?
    Als wir bei mir waren, brachte ich sie gleich in mein Zimmer. Wir zogen uns trockene Klamotten an. Ich ließ sie sogar meine Lieblingsjeans tragen. Sie saß am Schminktisch, während ich ihr verknotetes, feuchtes Haar kämmte. Sie sah in den Spiegel, aber ich wusste nicht, ob sie wirklich irgendwas registrierte.
    Ich betrachtete Sals Spiegelbild. Fand ich sie schön? Vielleicht. Absolut. Blondes Haar, das gerade so ihre Schultern berührte. Sie steckt es oft ganz kompliziert hoch, was aber immer völlig lässig wirkt. Braune Augen und honigfarbene Haut. Ein Glückskind.
    Als ich mit Sals Haar fertig war und schnell durch meins gekämmt hatte (langweiliges Braun unter VIELEN Schichten
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