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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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kleiner Junge auf einer Fähre, die gerade von der Freiheitsstatue zurückkam, die Explosion beobachtet hat. Er sagt, jemand wäre von Bord gesprungen. Ein Mensch in einem Taucheranzug. Winifred war eine ausgezeichnete Schwimmerin, und ich habe den Verdacht, dass der Junge vielleicht sie gesehen hat.«
    »Möglicherweise hat er sich geirrt«, entgegnete Bonnie leise.
    Nel sah sich um. Das Zimmer war dunkel. Die Jalousien waren heruntergelassen. Sie hörte nur ihr Atmen und das Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben.
    »Ich glaube nicht, dass der Junge sich geirrt hat«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Und ich bin fest davon überzeugt, dass jemand vor der Explosion von der Jacht entkommen ist. Im Übrigen denke ich, Sie wissen genau, wer es war.«
    Sie spürte, wie Bonnie schauderte. Als ihre Hände sich zusammenkrampften, konnte Nell sich endlich losmachen.
    »Bonnie, ich habe Sie im Fernsehen erlebt, und ganz bestimmt haben Sie wirklich hellseherische Fähigkeiten. Ich habe keine Ahnung, weshalb manche Menschen über diese Gabe verfügen.
    Auch ich hatte bereits übersinnliche Erfahrungen, die mir sehr real erschienen, aber mit der Vernunft nicht zu erklären sind.
    Meine Tante Gerti kennt diese Dinge ebenfalls.
    Sie aber unterscheiden sich von uns. Sie haben Ihr seltenes Talent missbraucht. Wie ich mich erinnere, hat Gerti mich schon vor Jahren gewarnt, dass man seine übersinnlichen Kräfte nur für das Gute einsetzen darf. Wer sie für schlechte Zwecke nutzt, sagte sie, wird streng bestraft.«
    Bonnie hörte zu und starrte Nell an. Ihre Pupillen wurden mit jedem Wort dunkler. Ihre Hautfarbe verwandelte sich in ein alabasterartiges Weiß.
    »Sie haben sich an Gerti gewandt und behauptet, Adam hätte Kontakt mit Ihnen aufgenommen. Eigentlich glaube ich nicht daran, dass es möglich ist, mit Verstorbenen in Verbindung zu treten, doch damals war ich so traurig, dass ich es dennoch versuchen wollte. Als meine Eltern starben, haben sie sich von mir verabschiedet, weil sie mich liebten. Ich dachte, Adam hätte das nicht getan, weil wir uns gestritten hatten. Also wollte ich mit ihm sprechen und mich mit ihm versöhnen. Ich brauchte einen Abschied in Liebe. Deshalb war es mir so wichtig, Ihnen zu vertrauen.«
    »Nell, ich bin sicher, dass Adam im Jenseits…«
    »Lassen Sie mich ausreden, Bonnie. Falls Sie tatsächlich Kontakt mit Adam hatten, war seine Botschaft an mich eine Lüge. Inzwischen weiß ich, dass er mich nicht geliebt hat. Ein Mann, der seine Frau liebt, hat keine Affäre mit seiner Sekretärin.

    Er eröffnet mit ihr kein Schließfach unter einem falschen Namen.
    Inzwischen bin ich sicher, dass ich Adam nichts bedeutet habe, denn genau das hat er nämlich getan.«
    »Sie irren sich, Nell. Adam hat Sie geliebt.«
    »Nein, ich habe Recht. Und außerdem bin ich nicht auf den Kopf gefallen. Ich bin überzeugt, dass Sie entweder Adam oder Winifred
    helfen
    wollen,
    an
    den
    Schließfachschlüssel
    heranzukommen, der zufällig in Adams Sakko geblieben ist.«
    Ins Schwarze getroffen, dachte Nell. Bonnie Wilson schüttelte den Kopf, doch es wirkte kaum wie ein Leugnen, eher schicksalsergeben.
    »Nur zwei Menschen haben Verwendung für diesen Schlüssel: Adam und Winifred. Ich hoffte, dass Sie für Winifred arbeiten und dass Adam tot ist. Beim bloßen Gedanken, dass ich über drei Jahre lang mit einem Mann gelebt, geatmet, gegessen und geschlafen habe, der ohne mit der Wimper zu zucken drei Menschen getötet und ein Feuer gelegt hat, bei dem eine Obdachlose gestorben ist, wird mir übel.
    Außerdem – und auch das ist mir wichtig – schäme ich mich bei dem Gedanken, dass ich meine Karriere, meinen Herzenswunsch, aufgegeben habe, um einem Betrüger und Dieb einen Gefallen zu tun. Dass Adam ein Verbrecher war, weiß ich nun genau. Ich kann nur beten, dass er nicht zusätzliche Menschenleben auf dem Gewissen hat.«
    Nel griff in die Tasche und holte den Schließfachschlüssel heraus. »Bonnie, ich bin sicher, dass Sie den Aufenthaltsort von Adam oder Winifred kennen. Vielleicht ist Ihnen nicht klar, dass man Sie der Beihilfe zu einem mehrfachen Mord anklagen kann, wenn Sie auf irgendeine Weise mit einem der beiden zusammengearbeitet haben. Nehmen Sie diesen Schlüssel. Geben Sie ihn dem Überlebenden. Wiegen Sie ihn in dem Glauben, dass er gefahrlos nach White Plains fahren kann. Das ist Ihre einzige Chance, mildernde Umstände zu bekommen.«
    »Was meinst du mit ›in dem Glauben wiegen‹, Nell?«
    Sie
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