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Verfuehrung in Florenz

Verfuehrung in Florenz

Titel: Verfuehrung in Florenz
Autoren: India Grey
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bleichen Gesicht zu wenden, ging sie zwei, drei Schritte rückwärts, ehe sie sich abwandte und zuerst langsam, dann immer schneller durch den Korridor eilte, als müsste sie vor ihm fliehen.
    Eves Schritte hallten von den Wänden zurück. Raphael versuchte, den Blick von ihr zu wenden. Wenn er ihr nachblickte, war er verloren. Das war das gleiche Gefühl, das er mit sieben Jahren beim Begräbnis seiner Mutter gehabt hatte. Damals hatte er den Blick von dem blumenbedeckten Sarg abgewandt. Wenn er hingesehen hätte, dann hätte er geweint.
    Er hatte nicht geweint. Damals nicht und seither auch nicht.
    Eve hatte fast schon das Ende des Korridors erreicht, als Raphaels Willenskraft sich als zu schwach erwies. Mit zusammengebissenen Zähnen, die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt, blickte er ihr nach. In dem düsteren Korridor leuchtete ihr Haar wie sommerlicher Sonnenschein an einem finsteren Wintertag.
    An der Tür blieb sie stehen und wandte sich noch einmal um.
    „Es tut mir leid“, sagte sie.
    Diese Worte versetzten ihm den letzten Stoß.
    Da Eve den Kopf gegen den Regen gesenkt hielt, wäre sie in ihrer Verzweiflung beinahe an der alten kleinen Kirche vorbeigelaufen, die zwischen zwei wesentlich prunkvolleren Gebäuden stand. Von außen war nicht viel mehr zu sehen als das Portal und darüber ein buntes Glasfenster, aber das Innere bot Zuflucht vor der Nässe, wunderschön und völlig menschenleer.
    Frierend und niedergeschlagen schritt Eve langsam den Mittelgang nach vorne. Es duftete nach Weihrauch und Blumen. Vor dem Altar brannten Kerzen, die von Gläubigen angezündet worden waren, um ihren Gebeten Ausdruck zu verleihen. Eve nahm eine frische Kerze aus dem Behälter und entzündete sie an einer der Flammen.
    „Für dich, Ellie“, flüsterte sie, steckte sie auf den Halter und fügte eine zweite brennende Kerze hinzu. „Und für dich, kleines Baby.“
    Die Hände an den Leib gelegt, blickte sie in die Flammen. Als die Tränen endlich zu rollen anfingen, empfand sie es als Erleichterung. An eine Säule gelehnt, fragte sie sich, ob die Tränen jemals versiegen würden.
    Eve wusste nicht, wie lange sie schon in der Kirche stand. Sie weinte nicht mehr und sammelte gerade Mut, wieder hinauszugehen und mit ihrem Leben weiterzumachen, als die Eingangstür aufgestoßen wurde.
    Erschrocken drehte sie sich um. Als sie um den Pfeiler herumblickte, entdeckte sie zwei dunkel gekleidete Männer mit Waffen in den Händen. Die Gesichter konnte sie unter tief heruntergezogenen Wollmützen nicht erkennen.
    Blitzartig presste sie sich hinter dem Pfeiler gegen die Wand, hielt den Atem an, schloss die Augen und fühlte, wie sich das Baby in ihr bewegte. Ob zwei Bewaffnete bei einer Sturzgeburt eine große Hilfe sein würden?
    Hysterisches Gelächter stieg in ihr hoch, wurde jedoch rasch von Entsetzen abgelöst, als sich Schritte näherten. Sie presste die Augen fest zu, bemühte sich, nicht das kleinste Geräusch zu verursachen, und hielt die Luft an.
    Die Schritte kamen noch näher und verstummten.
    „Alles in Ordnung! Sie ist hier.“
    Das war Raphaels Stimme.
    Eve stöhnte vor Erleichterung und öffnete die Augen. Er stand vor ihr. Sein Gesicht war aschfahl. Mit einem Schritt war er bei ihr, zog sie fest an sich, drückte sie an seinen Körper, legte ihr die Hände an die Wangen und hob ihren Kopf an.
    „Du bist in Sicherheit“, sagte er rau und ließ den Blick über ihr Gesicht wandern, als könnte er es noch nicht glauben.
    „Was ist passiert? Wieso …“
    Er drückte sie wieder an sich. „Du bist eine Zeugin in einem Drogenprozess und solltest rund um die Uhr unter Polizeischutz stehen. Aber du bist schon seit zwei Stunden verschwunden. Der Richter musste die Verhandlung vertagen. Wir dachten, du wärst …“ Er konnte nicht weitersprechen.
    Eve schlug betroffen die Hand vor den Mund. „Oh nein, es tut mir leid!“
    Raphael schüttelte den Kopf. „Es war mein Fehler. Ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen.“ Sanft drückte er die Lippen auf ihr Haar. „Ich dachte, ich hätte dich wieder verloren, noch ehe ich dir gestehen konnte, dass ich dich liebe.“
    Eve zog sich ein Stück zurück und sah ihn an. „Was hast du gesagt?“
    Raphael hielt sie am ausgestreckten Arm von sich. Aus seinem fein geschnittenen Gesicht waren die Spuren von Schmerz und Anspannung nicht gewichen, doch in seinen dunklen Augen schimmerte Liebe.
    „Ich liebe dich. Sobald du verschwunden warst, bin ich nach Hause gerast, um
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