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Verfuehrung in Florenz

Verfuehrung in Florenz

Titel: Verfuehrung in Florenz
Autoren: India Grey
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entgegen. Das Haar war gestern für die Modenschau gestylt worden. Was der Friseur als „sexy wirr“ beschrieben hatte, war jetzt dermaßen zerzaust, dass es aussah, als hätte sie die ganze Nacht über Orgien gefeiert. Wenn sie sich mit dem Bild von Shakespeare auf ihrem zerknitterten T-Shirt verglich, dann war das Ergebnis eindeutig: Von ihnen beiden wirkte Shakespeare eindeutig lebendiger – und attraktiver. Dabei war er schon seit mehreren Hundert Jahren tot.
    Eve blieben genau fünfzehn Minuten, um sich in eine elegante und professionelle Modejournalistin zu verwandeln.
    Fünfzehn Minuten … und die gesamte Kosmetikkollektion eines der angesagtesten Supermodels der Welt.
    Das konnte doch nicht so schwer sein, oder?
    Eve verließ das Hotel zwar ohne Brille, fand jedoch trotzdem mühelos den Konferenzsaal im Ospedale Santa Maria Nuova. Dazu brauchte sie nur dem Klappern unzähliger Absätze und dem Duftgemisch von Hunderten von Modeleuten zu folgen.
    Nachdem sie neben einer kühl wirkenden Blondine von einem zweitrangigen Klatschmagazin Platz gefunden hatte, wühlte Eve in ihrer Handtasche herum und fand endlich den kleinen Kassettenrekorder, den Lou ihr geliehen hatte. Da sie ohne Brille nicht richtig sah, konnte sie erst nach dem dritten Versuch ein neues Band einlegen.
    Die blonde Nachbarin warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. „Harte Nacht gehabt?“
    „Kann man wohl sagen.“
    „Ich auch. Ich habe einen so schlimmen Kater, dass ich mich am liebsten zu Di Lazaro auf die Intensivstation legen würde.“
    Eve lächelte. Zum Glück musste sie nicht erklären, unter welchen Nachwirkungen sie litt, denn nun betraten eine Frau und zwei Männer in Arztkitteln das Podium an der Stirnseite des Raums. Tiefe Enttäuschung durchfuhr Eve wie ein körperlicher Schmerz, weil Raphael nirgendwo zu sehen war.
    Aber sie musste ihn unbedingt treffen! Die Vorfälle von gestern hatten mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. In mehr als einer Hinsicht hatte sie mit Raphael Di Lazaro noch einiges zu klären.
    Die drei auf dem Podium nahmen an einem Tisch mit weißer Tischdecke Platz. Es sah aus, als würden sie gleich die Weinkarte verlangen. Eve erkannte nach einem Zeitungsbericht die Frau als Alessandra Ferretti, die ebenso tüchtige wie attraktive Pressesprecherin von Di Lazaro. Sie saß in der Mitte, links und rechts von einem Arzt flankiert. Sekundenlang redeten die drei leise miteinander. Dann sah Ferretti auf die Uhr, beugte sich vor und sprach mit einer überraschend warmen Stimme ins Mikrofon.
    „ Buon giorno. “
    Die Reporterschar hielt schon erwartungsvoll Stifte, Kameras und Rekorder bereit, als sich plötzlich eine Tür an der Rückseite des Raums öffnete. Alle drehten sich zu dem verspäteten Neuankömmling um.
    Eves überraschter Ausruf ging vollkommen unter, denn wie auf Kommando begannen Hunderte von Kameras maschinengewehrartig zu klicken. Im Blitzlichtgewitter stand Raphael Di Lazaro.
    Das dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht. Ein dunkler Bartschatten betonte die ausgeprägten Wangenknochen und den müden Zug um den sinnlichen Mund. Sogar unrasiert und in dem dunklen Anzug und dem verknitterten weißen Hemd von gestern Abend wirkte dieser Mann unverändert attraktiv. Mit regungsloser Miene ging er nach vorne aufs Podium und setzte sich. Als er sich mit sonnengebräunten Fingern durchs Haar fuhr, fiel Eve auf, wie erschöpft er aussah.
    Eine Mischung von Abscheu und Verlangen raubte ihr fast den Atem.
    Alessandra Ferretti übernahm die Vorstellung. Ihre Stimme klang so sinnlich, als wollte sie die Gäste einer Party miteinander verkuppeln.
    „Dr. Cristiano ist Signor Di Lazaros Arzt, und Dr. Cavalletti ist der Leiter des Herzspezialistenteams, das für die Behandlung verantwortlich ist.“ Dabei deutete sie auf die beiden Männer in weißen Kitteln, ehe sie sich Raphael zuwandte und ihm die schlanke Hand auf den Arm legte. „Raphael Di Lazaro ist erst gestern aus Kolumbien zurückgekehrt. Er hat die ganze Nacht bei seinem Vater verbracht.“
    Eve konnte nicht fassen, dass Alessandra das Land, aus dem die Drogen kamen, dermaßen beiläufig erwähnte. Doch der Gedanke war sofort wieder verschwunden, denn im nächsten Moment ärgerte sie sich schon darüber, wie vertraulich diese Frau Raphaels Arm berührte.
    „Wie ist derzeit Antonio Di Lazaros Zustand?“, fragte eine italienische Reporterin.
    „ Stabile “, erwiderte der Arzt auf der rechten Seite, dessen Namen Eve sich leider nicht gemerkt hatte.
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