Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
Augenblick als Schutzschild diente, schließlich wusste sie, dass er wusste, dass sie sich dahinter verbarg.
    Sie beobachtete sein Gesicht.
    Sie beobachtete, wie er Grace ansah.
    Wie er Grace anlächelte.
    Wie er … gütiger Himmel, lachte er etwa gar?
    Sie hatte ihn noch nie lachen hören, hatte ihn noch nicht einmal in einem Raum voller Leute lachen sehen.
    Erschrocken und vielleicht eine Spur bestürzt öffnete sie den Mund. Anscheinend wusste sie doch etwas Greifbares über ihren Verlobten.
    Er war in Grace Eversleigh verliebt.
    Na, wunderbar.
    Auf der Tanzgesellschaft in den Lincolnshire-Sälen war der Walzer noch verpönt – die Matronen, die den vierteljährlich stattfindenden Ball organisierten, betrachteten diesen Tanz nach wie vor als ungehörig. Thomas fand das bedauerlich. Die verführerische Seite des Walzers ließ ihn kalt – bisher hatte er noch nie Gelegenheit gehabt, mit einer Dame zu tanzen, die er zu verführen beabsichtigte. Aber der Walzer erlaubte einem, mit der Tanzpartnerin zu plaudern. Das war doch etwas ganz anderes, als hier und da ein Wort oder einen Satz zu tauschen, während er und Grace den verwickelten Figuren des Kontretanzes folgten.
    „Versuchen Sie etwa, sie eifersüchtig zu machen?“, fragte Grace und lächelte auf eine Weise, die er, hätte er sie nicht so gut gekannt, kokett gefunden hätte.
    „Seien Sie doch nicht albern.“
    Nur dass sie inzwischen schon mit dem Squire die Arme kreuzte. Thomas unterdrückte ein zorniges Knurren und wartete, bis sie an seine Seite zurückgekehrt war. „Seien Sie doch nicht albern“, sagte er noch einmal.
    Grace legte den Kopf schief. „Sie haben noch nie mit mir getanzt.“
    Diesmal wartete er einen geeigneten Moment ab, ehe er erwiderte: „Wann hätte ich denn Gelegenheit gehabt, mit Ihnen zu tanzen?“
    Grace trat einen Schritt zurück und verneigte sich, wie es der Tanz verlangte, aber er schien dies als Zustimmung aufzufassen. Auf der örtlichen Tanzgesellschaft ließ er sich kaum blicken, und obwohl Grace seine Großmutter bei ihrer London-Reise begleitet hatte, war sie bei den abendlichen Vergnügungen nur selten mit von der Partie gewesen. Und dann hatte sie mit den Anstandsdamen und anderen Gesellschafterinnen am Rand gesessen.
    Sie tanzten zur Spitze der Reihe, er ergriff ihre Hand, und sie schritten die Mittellinie entlang, die Gentlemen zur Rechten, die Damen zur Linken.
    „Sie sind zornig“, sagte Grace.
    „Keineswegs.“
    „In Ihrem Stolz getroffen.“
    „Nur ganz kurz“, räumte er ein.
    „Und jetzt?“
    Er antwortete nicht. Das brauchte er auch nicht. Sie waren am Ende der Gasse angelangt und mussten sich nun gegenüber aufstellen. Als sie dann zu einem kurzen Händeklatschen zusammentrafen, sagte Grace: „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
    Dann traten sie zurück, kamen wieder zusammen, und er beugte sich vor und murmelte: „Ich möchte bestimmen, wo es langgeht.“
    Sie sah aus, als könnte sie jeden Augenblick in Gelächter ausbrechen.
    Er warf ihr ein träges Lächeln zu, und bei der nächsten Gelegenheit fragte er: „Überrascht Sie das etwa?“
    Er verbeugte sich, sie wirbelte einmal herum, und danach sagte sie mit spitzbübisch blitzenden Augen: „Sie überraschen mich doch nie.“
    Darüber musste Thomas lachen, und als sie zur nächsten Verbeugung und zur nächsten Drehung zusammenkamen, erwiderte er: „Ich versuche es ja auch nie.“
    Worauf Grace mit den Augen rollte.
    Grace war wirklich ein prima Kerl. Thomas bezweifelte, dass seine Großmutter nach irgendetwas anderem als einem warmen Körper gesucht hatte, der „Ja, Madam“ und „Selbstverständlich, Madam“ sagen konnte, als sie ihre Gesellschafterin eingestellt hatte, aber sie hatte trotzdem eine gute Wahl getroffen. Gut war auch, dass Grace aus der Gegend stammte; ihre Eltern waren vor einigen Jahren an einem Fieber gestorben und hatten sie allein zurückgelassen. Ihr Vater war ein Landedelmann gewesen, und er und seine Frau waren allseits beliebt. So kam es, dass Grace mit allen Familien bekannt war und mit den meisten gut auskam. Was in ihrer augenblicklichen Situation nur von Vorteil sein konnte.
    Nahm Thomas zumindest an. Meist versuchte er, seiner Großmutter aus dem Weg zu gehen.
    Die Musik verebbte, und er gestattete sich einen Blick zum roten Vorhang. Entweder war seine Verlobte gegangen, oder sie hatte ein wenig Übung in der hohen Kunst der Tarnung entwickelt.
    „Sie sollten netter zu ihr sein“, meinte Grace,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher