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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady
Autoren: Julia Quinn
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und hatte sie zum Spaß sogar einmal aufgelistet. Alle paar Monate revidierte sie die Liste.
    Es schien nur gerecht. Und wenn man überlegte, in welche Schwierigkeiten sie geraten würde, wenn diese Liste zufällig in fremde Hände fiele, sollte sie wirklich so aktuell wie möglich sein.
    Amelia legte großen Wert auf Akkuratesse. Ihrer Meinung nach war es eine betrüblich unterschätzte Tugend.
    Aber das Problem mit ihrem Verlobten – und, wie sie annahm, den meisten Menschen – lag darin begründet, dass er so schwer in Begriffe zu fassen war. Wie, zum Beispiel, sollte man das undefinierbare Flair beschreiben, das er an sich hatte und das nahelegte, dass er irgendwie … besonderer war als die übrige Gesellschaft? Von einem Herzog erwartete man eigentlich nicht, dass er so patent wirkte. Herzöge waren entweder dünn und drahtig oder kugelrund, ihre Stimmen waren unangenehm, ihre Intelligenz dürftig und, nun ja … einmal war ihr Blick auf Wyndhams Hände gefallen. Normalerweise trug er Handschuhe, wenn sie ihm begegnete, aber diesmal, sie wusste nicht mehr, warum, hatte er sie ausgezogen, und sie war wie gebannt von seinen Händen gewesen.
    Seinen Händen, du liebe Güte!
    Es war verrückt, es war abstrus, aber während sie so dagestanden hatte, schweigend und vermutlich mit offenem Mund, hatte sie unwillkürlich gedacht, dass diese Hände etwas vollbracht hatten. Einen Zaun repariert. Eine Schaufel gepackt.
    Wenn er fünfhundert Jahre früher gelebt hätte, wäre er bestimmt ein grimmiger Krieger gewesen, der mit erhobenem Schwert in die Schlacht zog – wenn er nicht gerade mit seiner angebeteten Dame in den Sonnenuntergang ritt.
    Und ja, sie war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass sie sich vielleicht etwas mehr Gedanken über die charakterlichen Feinheiten ihres Verlobten gemacht hatte, als er sich über ihre.
    Und trotz alledem wusste sie nicht sehr viel von ihm. Adelig, reich, attraktiv – das besagte eigentlich nicht viel. Sie fand es eigentlich recht vernünftig von sich, etwas mehr in Erfahrung bringen zu wollen. Und was sie wirklich wollte – nicht dass sie so genau hätte erklären können, warum –, das war, dass er etwas mehr von ihr erfuhr.
    Beziehungsweise, dass er mehr von ihr erfahren wollte .
    Und sich mal erkundigte.
    Eine Frage stellte.
    Und dann zuhörte, statt abwesend zu nicken und irgendeiner anderen Person im Saal nachzusehen.
    Seit Amelia angefangen hatte, über diese Dinge Buch zu führen, hatte ihr Verlobter ihr genau acht Fragen gestellt. Bei sieben ging es darum, ob ihr die abendliche Veranstaltung gefalle. Mit der achten hatte er sich nach dem Wetter erkundigt.
    Sie erwartete ja gar nicht, dass er sich in sie verliebte – so wirklichkeitsfremd war sie nicht. Aber sie erwartete doch, dass ein Mann von wenigstens durchschnittlicher Intelligenz etwas über die Frau erfahren wollen würde, die er zu heiraten gedachte.
    Aber nein, Thomas Adolphus Horatio Cavendish, der allseits geschätzte Duke of Wyndham, Earl of Kesteven, Stowe and Stamford und Baron Grenville de Staine, ganz zu schweigen von einem ganzen Rattenschwanz weiterer Ehrentitel, die sie glücklicherweise nicht hatte auswendig lernen müssen, schien sich nicht weiter dafür zu interessieren, dass seine zukünftige Gattin Erdbeeren mochte, Erbsen aber verabscheute. Er wusste nicht, dass sie nie in der Öffentlichkeit sang, und ihm war auch nicht bekannt, dass sie, wenn sie sich Mühe gab, eine ausgezeichnete Aquarellmalerin war.
    Er wusste nicht, dass sie schon immer einmal nach Amsterdam hatte fahren wollen.
    Er wusste nicht, wie sehr sie es verabscheute, wenn ihre Mutter sie als „ganz intelligent“ beschrieb.
    Er wusste nicht, dass sie ihre Schwester schrecklich vermissen würde, wenn diese den Earl of Rothsey heiratete, der am anderen Ende von England lebte, in vier Tagesreisen Entfernung.
    Und er wusste nicht, dass er in ihrer Achtung immens steigen würde, wenn er eines Tages einfach einmal Interesse an ihr bekundete. Eine simple Frage hätte ihr da durchaus gereicht, etwa dass er sie in irgendeiner möglichst wetterunabhängigen Angelegenheit um eine Stellungnahme bat.
    Aber das würde voraussetzen, dass ihm an ihrer Meinung etwas lag, und das war sicher nicht der Fall. Dass er sich keinerlei Gedanken über ihr Urteilsvermögen machte, war möglicherweise sogar das einzig Greifbare, was sie wirklich über ihn wusste.
    Außer …
    Vorsichtig linste sie hinter dem roten Samtvorhang hervor, der ihr im
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