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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
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grinsend die Augenbrauen hoch. »Ich wette, das ist nichts im Vergleich dazu, wie er seine weiblichen Gefangenen zerteilt. Einer meiner Freunde schwört, dass Captain Doom in einer Nacht zehn Jungfrauen geschändet hat.«
    »Ha!«, höhnte ein Grauhaariger. »So viele habe ich auch geschafft, nach sieben Monaten auf See und nirgendwo ein bestrumpftes Weiberbein in Sicht.«
    Der junge Matrose stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. »Ja, ja, nur waren das sicher keine Jungfrauen!«
    Die Männer bogen sich vor Lachen. Lucy entschied sich schweren Herzens, die Herren von ihrer Anwesenheit in Kenntnis zu setzen, bevor sie noch mehr über die romantischen Neigungen von Seefahrern erfuhr, als sie je hatte wissen wollen. Sie erhob sich aus ihrem Sitz aus aufgerollten Tauen. Die Männer nahmen nervös Haltung an, als wäre Admiral Sir Lucien Snow selbst an Deck gekommen.
    Lucy war keineswegs beeindruckt. Begrüßungskommandos war sie gewohnt, seit sie alt genug war, das Fallreep eines Schiffs hinaufzukrabbeln. Ihres Vaters Ruf als einer der honorigsten Admirale in Seiner Majestäts Kriegsmarine war jedem ihrer Schritte vorausgeeilt.
    Sie schenkte den Männern ein huldvolles Lächeln. »Guten Abend, meine Herren. Ich hoffe, Ihren bezaubernden Streit über die Vorzüge des Piratenlebens nicht unterbrochen zu haben.« Sie nickte dem jungen Seemann zu, dessen gebräunte Haut einen hübschen Pfirsichton angenommen hatte. »Fahren Sie ruhig fort, Sir. Ich glaube, Sie wollten gerade Ihre Theorien über die romantischen Heldentaten dieses Captain Doom zum Besten geben.«
    Einer seiner Kumpane räusperte sich vernehmlich, worauf der junge Seemann seine Mütze abnahm und sie zu einer Kugel zusammendrehte. »M-M-Miss Snow«, stammelte er. »Wusste nicht, dass Sie in der Nähe sind. Das Gerede da war sicher nichts für die Ohren einer Lady.«
    »Dann müssen wir Sie wohl an der Rah aufknüpfen, oder?«
    Der Adamsapfel des Burschen hüpfte vor Angst, und Lucy seufzte. Aus irgendeinem Grund wussten die Leute nie so recht, wann sie einen Scherz machte. Die meisten ihrer Bekannten hegten den Verdacht, sie sei ohne jeden Sinn für Humor zur Welt gekommen. Aber sie war mit einem fein geschliffenen Sinn fürs Absurde gesegnet.
    Der wettergegerbte Matrose im Uniformmantel bahnte sich den Weg nach vorn, als fürchte er, sie könne ihr feines Schultertuch tatsächlich zu einer Henkersschlinge winden. »Gestatten Sie mir, Sie zu Ihrer Kabine zu eskortieren, Miss Snow. Nach Einbruch der Dunkelheit ist es für eine Lady von Stand an Deck nicht mehr sicher.«
    Er bot ihr galant den Arm, aber sein gönnerhafter Tonfall erwischte Lucy auf dem falschen Fuß.
    »Nein, danke«, sagte sie kühl. »Ich denke, ich versuche mein Glück mit Captain Doom.«
    Sie rauschte mit hoch erhobener Nase an ihnen vorbei und überhörte das misstönende Murren. Ihr boshafter Hang zur Auflehnung lenkte sie aufs verlassene Achterschiff, fort vom engen Kajütengang, der zu ihrer Kabine führte.
    Sie warf noch einen kurzen Blick in Lord Howells Memoiren, dann schleuderte sie das Buch über die Reling ins aufgewühlte Wasser der Fahrrinne. Das ledergebundene Epos versank, ohne die kleinste Spur zu hinterlassen.
    »Tut mir Leid, Sylvie«, flüsterte sie der abwesenden Freundin zu.
    Sie hegte ohnehin den Verdacht, dass ihr Vater, der ein alter Freund Lord Howells war, ihr das Buch nur mitgegeben hatte, weil es seine eigenen Heldentaten im Krieg gegen die ungehobelten amerikanischen Kolonisten recht schmeichelhaft darstellte, wenn auch etwas übertrieben.
    Sie fragte sich, wie es ihrem Vater wohl auf seiner Reise über Land erging. Seit eine Beinverletzung ihn vor sechs Jahren viel zu früh dazu gezwungen hatte, sich aus den Diensten Seiner Majestät zurückzuziehen, hatte der Admiral keine Gelegenheit zu einer Seereise ausgelassen, noch nicht einmal dann, wenn sie so zahm war wie die Fahrt vom Sommerhaus in Cornwall zu ihrem bescheidenen Landsitz am Ufer der Themse.
    Lucy wickelte sich fester in ihr Schultertuch. Wankelmütig, wie sie nun einmal war, hatte die Londoner Gesellschaft zwar alles Französische verbannt, nicht aber die Mode. Der scharfe Wind vom Atlantik wehte Lucys Rock hoch und biss sich durch die dünnen Unterröcke. Doch diese Unbilden ertrugen sich leichter als die drückende Enge ihrer Kabine. Und wenn sie lange genug an Deck blieb, hatte sich des Kapitäns schwerhörige Mutter vielleicht schon zurückgezogen, und es blieb Lucy erspart, sie über den
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