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Verführerischer Dämon: Roman (German Edition)

Verführerischer Dämon: Roman (German Edition)

Titel: Verführerischer Dämon: Roman (German Edition)
Autoren: Carolyn Jewel
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er mächtig viel Zeit im Fitnessstudio verbrachte. Der alte Harsh hatte mit Bodybuilding nicht viel am Hut gehabt. Welcher viel beschäftigte Arzt fand schon die Zeit dafür? Er hatte ja, nachdem er nach Kalifornien gegangen war, nicht einmal mehr für seine kleine Schwester Zeit gehabt.
    Jemand klopfte an die Tür. Laut.
    Alexandrine lebte in einem schäbigen Apartmentgebäude mit nicht funktionierenden Sicherheitseinrichtungen, und war es nicht wirklich überraschend, dass jemand nach oben gelangen konnte, ohne dass sie ihm die Tür aufgedrückt hatte?
    Dennoch stellten sich plötzlich die Härchen in ihrem Nacken auf, wenn sie sich auch nicht sicher war, ob sie sich einfach nur erschrocken oder ob es etwas mit ihrer Vorahnung zu tun hatte.
    Einen Moment lang starrten sie und Harsh sich einfach nur an. Interessant. Er fragte nicht, ob sie jemanden erwartete. Und er wirkte auch nicht erstaunt.
    Sein iPhone meldete sich, wieder mit diesem Sonargeräusch. Harsh schaute nach, wer der Anrufer war– und Mann, stiegen da plötzlich Erinnerungen in ihr auf!
    Ihr dreizehnter Geburtstag. Harsh war noch an der Harvard Medical School, nicht weit von ihnen entfernt, und hatte einen kurzen Abstecher nach Hause gemacht. Wie jeder amerikanische Medizinstudent arbeitete er bereits im Krankenhaus. Sein Pieper ging los, und schon war ihr heiß geliebter Bruder weg. Wieder einmal. Noch bevor der Kuchen aufgegessen war.
    » Genau wie früher, nicht wahr?«, sagte Alexandrine leise. Nur dass Harsh sich in der Zwischenzeit in jemand Furchteinflößenden verwandelt hatte. Ihr überhaupt nicht mehr ähnlich war. » Wovor willst du mich retten, Harsh?«, fügte sie lauter hinzu.
    Er berührte das Display und sagte: » Nicht jetzt!« zu dem Anrufer, dann beendete er das Gespräch. Und Alexandrine hatte plötzlich das komische Gefühl, dass er das iPhone am liebsten zerquetscht hätte. Was er jedoch nicht tat. Harsh hatte sich immer schon jederzeit unter Kontrolle gehabt.
    Dann schaute er sie an und sagte: » Vor dir selbst.«
    » Was?«
    Wer auch immer vor ihrer Tür stand, klopfte erneut. Drei Mal. Ganz langsam. Ganz laut. Idiot!
    » Wie soll ich das denn verstehen?«, fragte sie.
    Harsh runzelte die Stirn. » Ich versuche, dich vor dir selbst zu retten«, wiederholte er.
    Na klar. Er wollte sie vor sich selbst retten. Wie komisch! Saukomisch, wenn sie an ihr Leben in den letzten Jahren dachte. » Zu spät, Bruderherz. Ich bin inzwischen ein großes Mädchen. Erwachsen.«
    » Alexandrine…«
    » In drei Monaten werde ich sechsundzwanzig. Alt genug, um einen Job zu haben, Steuern zu zahlen, Alkohol zu trinken und zu wählen. Alles auf einmal, wenn mir danach sein sollte.«
    » Es ist mir schon klar, dass du kein kleines Mädchen mehr bist.«
    Als sie ihren Bruder zum letzten Mal gesehen hatte, lebte sie noch zu Hause in Brookline, Massachusetts, und war noch ein halbes Kind. Massachusetts war dreitausend Meilen von der großen Stadt an der Bucht entfernt, in die ihr Bruder gezogen war, um sich seiner Forschungsarbeit an der Universität von Kalifornien in San Francisco zu widmen. Ihr großer Bruder, der Arzt. Mom und Dad waren so stolz auf ihn gewesen. Und dann verschwand er plötzlich. Spurlos. Als ob er einfach von der Erde gefallen wäre. Die Polizei ging davon aus, dass er tot war.
    Tja…
    So richtig tot war er wohl nicht.
    » Dinge ändern sich, stimmt’s?«, meinte Alexandrine.
    Harshs Telefon klingelte erneut. » Ich hab dir doch gesagt, noch fünf Minuten«, meinte er. Er berührte das Display, um das Gespräch zu beenden, und, o Wunder, nur einen Moment später hämmerte Mr Ungeduldig mit der Faust gegen ihre Tür. Na wunderbar. Ihre Nachbarn würden entzückt sein. Wahrscheinlich hingen sie bereits am Telefon, um sich bei ihrem Vermieter zu beschweren.
    » Ich brauche niemanden, der mich beschützt«, erklärte Alexandrine. Doch im selben Moment, als sie dies aussprach, zog sich ihr Magen zusammen, weil sie, verdammt, vielleicht doch Hilfe brauchte. » Ich passe schon ziemlich lange allein auf mich auf.«
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die Augen ihres Bruders ein so durchdringendes Braun gehabt hatten. Und plötzlich überfiel sie der gruselige Gedanke, dass da noch etwas anderes hinter den Augen ihres Bruders lebte. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, ein echter Schauder, nicht von ihrer Vorahnung hervorgerufen.
    » Wann hast du zum letzten Mal mit Mom und Dad geredet?«, fragte er unvermittelt.
    Sie waren so
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