Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt
Autoren: Ally Kennen
Vom Netzwerk:
Geburtstag. Ich wollte meinen Bruder und meine Mutter suchen. Vor fünf Jahren sind sie hier verschwunden.«
    Wir blicken uns stumm und lange an. Ein bisschen ähnlich sehen sich die beiden ja schon. Ich muss mich entscheiden. Entweder bleibe ich da und warte ab, was passiert, oder ich gehe Hilfe holen.
    »Ich war auch hier im Gefängnis«, fährt Jak fort. »Da war ich dreizehn. Bei dem Aufstand wurde ich von meiner Familie getrennt und hinterher in meine Heimat zurückgeschickt. Meine Großmutter hatte den Krieg überlebt und ich bin zu ihr gezogen. Aber ich habe mir geschworen, wiederzukommen und meine Mutter und meinen Bruder zu suchen, wenn ich alt genug bin. Den hier   …«, er streicht sich über den Fusselbart, »…   hab ich mir als Tarnung wachsen lassen, damit mich niemand erkennt.« Er nimmt die Brille ab und hält sie mir hin. »Fensterglas, kannst durchgucken. Ich hab gar keine schlechten Augen.«
    Ich schaue durch die Brille. Die Gläser sind nicht geschliffen.
    »Vor ein paar Jahren wurde hier eine Leiche gefunden«, sagt Jak leise. »Ich glaube, dass es meine Mutter war. Aber ob das stimmt, weiß ich erst, wenn ich endlich ihren Mörder gefunden habe.« Er sieht mich an. »Das kann nicht mehr lange dauern.«
    |297| »Wehe, du lügst!«, erwidere ich drohend. »Dann mach ich dich fertig.«
    Bei solchen Gelegenheiten besinne ich mich darauf, dass ich eine Juby bin.
    »Red keinen Quatsch, Lexi, geh endlich los.« Jak stopft seinen Pulli um Kos fest. »Mein Bruder war fünf Jahre lang verschollen. Seine Familie will ihn wiederhaben.«
    »Heißt das, es ist nicht sein Tod, wenn er aus England abgeschoben wird?«
    »Nein. Der Krieg ist aus. Bei uns herrscht wieder Frieden.«
    Damit muss ich mich zufriedengeben. Ich laufe in den Morgen hinaus. Inzwischen ist es schon fast richtig hell. Als ich über die Wiese renne, flattert vor meinen Füßen ein Schwarm kleiner Vögel auf und erinnert mich daran, dass ich auf die Fallen achten muss. Im Gras glitzern Tautropfen, welkes Laub liegt unter den Bäumen. Ich renne, so schnell ich kann, passe aber auf, wo ich hintrete. Ich krieche durch den Zaun und laufe zur Straße. Das Auto steht noch da, aber Johnny sitzt nicht drin. Und der Zündschlüssel steckt auch nicht mehr, wie ich bei einem Blick durchs Fenster feststelle. Johnny, dieser Mistkerl, hat mich im Stich gelassen! Und ich hatte mir eingebildet, er mag mich und hält zu mir! Ich hole mein Handy heraus, aber ich habe immer noch keinen Empfang. Der Wald ringsum ist still und dunkel, nur ab und zu hört man fernes Gekläff. Was jetzt? Soll ich die Straße runterlaufen und ein Auto anhalten? Oder soll ich lieber wieder umkehren |298| und mich vergewissern, dass Jak Kos nichts antut? Ich nehme ihm seine Geschichte irgendwie nicht richtig ab. Ich entscheide mich fürs Umkehren. Im Laufen male ich mir die wüstesten Szenen aus. Wenn Owen nun zurückkommt? Er ist bewaffnet. Das Gelände ist so groß, dass er uns ohne Weiteres alle drei abknallen und unsere Leichen irgendwo verstecken kann. Er kann uns einfach in den vollgelaufenen Keller werfen. Mit zusammengebissenen Zähnen laufe ich zurück zur Kapelle.
    Kos liegt in einer Art Dämmerschlaf. Ich hoffe jedenfalls, dass es kein Koma oder so was ist. Jak hält seinen Kopf im Schoß.
    »Du musst losgehen und Hilfe holen«, sage ich. »Johnnys Auto können wir nicht nehmen. Ein Stück die Straße runter kommt ein Haus. Du musst die Leute rausklingeln und von dort aus einen Krankenwagen und die Polizei anrufen. Sag der Polizei, dass Owen bewaffnet ist. Dann kommen sie schneller.«
    »Ich hab meinen Bruder fünf Jahre lang gesucht, Lexi. Ich geh hier nicht weg«, lautet Jaks Entgegnung.
    Kann ich ihm trauen? Und wenn sie nun beide verschwunden sind, wenn ich wiederkomme? Das würde ich mir nie verzeihen. Da schlägt Kos die Augen auf. Er sieht hoch, erblickt Jak, macht sich los und setzt sich auf. »Bein tut weh, Lexi«, sagt er.
    Ich hocke mich auf den Rand der Kirchenbank und nehme ihn in den Arm. Jak macht ein gekränktes Gesicht.
    |299| »Lass ihm Zeit«, sage ich leise. »Er hat es nicht leicht gehabt.«
    Jak nickt. Er trennt sich nur ungern von Kos, aber ihm ist klar, dass es sein muss. Er küsst ihn auf die Stirn und stapft durch den Schutt und aus der Kapelle.
    Dann ist es wieder ruhig und friedlich. Kos lehnt sich an mich. Ich lausche seinen Atemzügen und betrachte ihn. Er döst wieder ein. Ich schaue zum Altar hinüber. Ob die Verrückten hier früher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher