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Verflixter Kerl

Verflixter Kerl

Titel: Verflixter Kerl
Autoren: Laura Petersen
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Mitte dreißig die Tür eines kleinen verklinkerten Reihenhauses in der Nähe des großen Ohlsdorfer Friedhofs öffnete und erklärte, das mit der vergessenen Brieftasche sei ein alter Trick von Oliver, wenn er eine Geliebte loswerden wollte, deren er überdrüssig war: ihr einfach die Illusionen rauben und sich zugleich aus dem Staub machen. Silke sollte sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie nicht die erste und wahrscheinlich auch nicht die Letzte war.
    Na, das mit den Illusionen zumindest war ihm gründlich gelungen. Für Silke brach die Welt zusammen, als sie hörte, dass es nichts weiter war als ein windiger Versicherungsvertreter mit drei Kindern, der seine Frau regelmäßig betrog. Sie hatte nichts Eiligeres zu tun, als Hamburg für ein paar Tage zu verlassen. Sie wollte ihm nicht mehr begegnen, auch nicht zufällig.
    Zum Glück hatte sie noch ihren gesamten Urlaub zu bekommen, und jede Menge Überstunden dazu. Sie musste irgendwo hin. Nur weg. Und da war ihr ausgerechnet die Insel Föhr eingefallen, wo sie am glücklichsten mit ihm gewesen war!
    "Ich könnte mich selbst dafür in den Allerwertesten treten!", schimpfte sie jetzt vor sich hin und trat verächtlich vor einen leeren Pappbecher, der vor ihr auf dem Pflaster der Promenade lag. Zwei Möwen, die sich kreischend um ein aufgeweichtes Stück Brotrinde zankten, flogen erschrocken auf und beschimpften Silke Schönbohm von oben herab.
    "Recht habt ihr", brummte Silke. "Wie konnte ich nur so blöd sein!"
    Sie wandte dem Strand den Rücken zu und ging den schmalen Fußweg neben der Kurklinik hinein. An der Ecke war an einem Telefonmast ein grellbuntes Plakat auf einer Papptafel angebracht. "Samstag ab 21 Uhr großes Remmidemmi! Boldixumer Tanzdeel" schnappte sie im Vorbeigehen auf. Na, zum Tanzen hatte sie nicht gerade Lust. Sie hatte ja nun gemerkt, was für Typen einem da auflauerten. Davon hatte sie gründlich die Nase voll.

Kapitel 2
    Um fünf Uhr früh tappten die Fahrgäste verschlafen aus den Bahnwaggons. Es war noch kühl, die Luft roch nach Diesel und Seetang und wirkte doch klar und frisch. Heisere Schreie von Möwen durchdrangen das Brummen der Auto-Motoren und das Dröhnen der roten Lok an der Spitze des Zuges, aus dem die Passagiere kletterten, beladen mit Koffern und Rucksäcken.
    "Wo ist denn das Meer?", rief ein kleines, etwa achtjähriges Mädchen mit halblangem blonden Haar, das zu einem roten Anorak mit Marienkäfer-Punkten eine giftgrüne Cordhose und einen senfgelben Rucksack trug.
    Sie war in Begleitung eines schlanken Mannes von etwa Anfang dreißig, dessen Kleidung ebenso zufällig zusammengewürfelt war: Verwaschene Jeans, dazu ein Sweatshirt mit der nichts sagenden Aufschrift "88", darüber ein gelbes Regencape, unter dessen Hinterseite ein Teil eines offenbar um die Hüften geschlungenen grauen Pullovers hervorschaute. Der graugrüne Rucksack war eher für ein Picknick geeignet als für den Transport von Urlaubsgepäck. Über altmodischen Tennissocken trug er braune Wildledersandalen einer seit Jahren nicht mehr existierenden Marke. Die beiden sahen sich so ähnlich, dass jeder sie als Vater und Tochter erkannte.
    "Die zwee da ha'm ooch lange keene Hausfrau mehr zu Jesicht bekommen", murmelte eine rundliche, hamsterbackige Frau in breitem Erzgebirger Sächsisch. "So looft doch heute keen Mensch mehr rum."
    "Fang nich wieder an, de Leute zu bemuttern", brummte ihr hagerer, zwei Kopf größerer Begleiter. "Wir sind hier, um Urlaub zu machen und damit sich de Nachbarschaft in Annaberg mal von deiner Fürsorge erholt."
    "Is ja schon gut", knurrte die Frau und warf im Vorbeigehen einen verächtlichen Blick auf den Mann mit dem Kind, der gerade nach vorn zur Anlegestelle zeigte.
    "Ich seh' das Meer! Ist das da unser Schiff?", fragte das Mädchen mit strahlendem Gesicht. "Mann, ist das groß!"
    Ihr Vater, der Schriftsteller Matthias Graf, nickte. "Eine Fähre, die uns auf die Insel bringt. Es gibt noch viel größere, aber für die ist hier das Wasser nicht tief genug. Siehst du, hinten am Schiff ist eine Art Brücke, über die man mit Autos in den Schiffsrumpf fahren kann. Die Brücke wird dann zugeklappt, und los geht's. Der Transport ist zum Glück nicht gerade billig, sonst würden noch mehr Leute mit ihren Autos auf den Inseln herumkurven. Die meisten lassen ihre Wagen hier in den Parkdecks." Er deutete auf das langgestreckte Gebäude hinter dem Bahndamm, das aussah wie eine alte Lagerhalle. "Auf der Insel kommt man mit dem
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