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Verflixter Kerl

Verflixter Kerl

Titel: Verflixter Kerl
Autoren: Laura Petersen
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Fahrrad gut klar."
    Die Kleine interessierte sich nicht dafür. "Komm schon, Papa, sonst ist kein Platz mehr auf dem Schiff." Sie griff nach seiner Hand und zerrte ihn vorwärts.
    Matthias Graf freute sich über die Begeisterung seiner Tochter Sarah. Er war froh, dass er ihr nun doch noch richtige Ferien bieten konnte – eine ganze Weile hatte es nämlich nicht so ausgesehen. Er hatte Abliefertermine einzuhalten und außerdem meist sehr wenig Geld, eine typische "Krankheit" für einen Schriftsteller. Aber dann war knapp eine Woche vor Ferienbeginn die Bewilligung eines Stipendiums gekommen, das ihm erlaubte, mit seiner Kleinen hierher an die Nordsee zu fahren. Er würde zwar ein wenig arbeiten müssen, konnte ihr aber auch deutlich mehr Zeit widmen als zu Hause.
    Als sie über die Gangway das Schiff betraten und zum oberen Deck hinaufstiegen, dachte Matthias Graf an den aufregenden Tag zurück, der zunächst so verlaufen war wie beinahe jeder andere in der letzten Zeit. Aber dann war eben doch überraschend alles anders gekommen.
    *

    Sarah war immer ganz aufgeregt, wenn Matthias sie abholte. Es gab schließlich immer eine Menge zu erzählen, und meist schimpfte sie über Frau Wieschermann, ihre Tagesmutter in der Gartenstraße, zu der sie nach der Schule immer gehen musste. Aber was sollte Matthias machen als alleinerziehender Vater? Seit seine Frau, Sarahs Mutter, vor einem Jahr nach einer kurzen, aber schweren Krankheit verstorben war, musste er Kind und Beruf unter einen Hut bringen. Wie viele Mütter taten das, sagte er sich, und er arbeitete auch noch zu Hause. Als freier Schriftsteller schlug er sich mit dem Schreiben von historischen Kriminalromanen durch, für die er Vieles ganz in Ruhe nachlesen musste. Nebenher fertigte er auch noch Übersetzungen aus dem Französischen an. So gern er seine Tochter hatte – für ihn war sie das Liebste auf der Welt – er konnte sich einfach nicht konzentrieren, wenn die quirlige Achtjährige ständig um ihn herum war.
    Es war gar nicht so einfach gewesen, in der sauerländischen Kleinstadt Iserlohn eine geeignete Tagesmutter für die aufgeweckte und lebhafte Sarah zu finden, und er war froh, als ihm das Jugendamt diese Frau Wieschermann empfahl, die schon drei weitere Kinder betreute, für sie das Mittagessen kochte und sie bei den Hausaufgaben beaufsichtigte. Sarah war mit ihren acht Jahren und ihrer Intelligenz gleichaltrigen Kindern deutlich voraus und wehrt sich natürlich gegen eine solche Aufsicht, zumal Frau Wieschermann, eine arbeitslose Lehrerin von Mitte vierzig, sehr streng war.
    "Ich will da nicht mehr hin!", schimpfte Sarah, als Matthias sie an diesem Tag wie gewohnt abholte. "Ich habe die Nase voll!"
    "Was ist denn passiert?", fragte Matthias, der deutlich spürte, dass seine Tochter erst einmal Dampf ablassen musste, bevor sie wieder seine fröhliche, unbeschwerte Sarah war.
    "Ach, ich musste meine Rechenaufgaben dreimal hinschreiben, bevor sie damit zufrieden war. Dabei waren die Ergebnisse alle richtig. Aber nein, es musste
anständig
aussehen. Die Zahlen sollten
ordentlich
geschrieben sein und
akkurat
in die Kästchen passen." Die verhassten Wörter "anständig", "ordentlich" und "akkurat" spuckte sie dabei heftig aus.
    Matthias unterdrückte ein Schmunzeln. Natürlich konnte er ihr nicht direkt sagen, dass Frau Wieschermann eigentlich im Recht war, denn Sarahs Krakelschrift musste irgendwie gebändigt werden, aber er hatte schon eine Idee, wie er ihr das ein wenig näher bringen konnte. "Ich habe den Wagen bei Karstadt in der Tiefgarage stehen", sagte er. "Wir könnten also vorher am Schillerplatz noch ein Eis essen gehen."
    "Au ja!", freute sie sich. "Ich will einen Max-und-Moritz-Becher!" Ungeduldig zerrte sie ihn in die Richtung der erhöhten Terrasse, von der aus man den Platz und das Treiben in den benachbarten Einkaufsstraßen beobachten konnte.
    Es war recht voll, und während sie auf ihr Eis warteten, blickte ihn Sarah mit ihren großen Augen von der Seite an. "Nächste Woche sind endlich Ferien. Wohin fahren wir?"
    Matthias zuckte mit den Schultern. "Ich weiß noch nicht", erwiderte er ausweichend. "Ich muss erst die Übersetzung abliefern, bevor wir überhaupt Geld haben, um zu fahren. Vielleicht machen wir ein paar kleine Ausflüge, zum Biggesee oder zu den Tropfsteinhöhlen, was meinst du?"
    "Das sind keine richtigen Ferien!", schimpfte Sarah. "Wir müssen morgen in der Schule einen Aufsatz schreiben und sollen uns überlegen, wohin wir
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