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Vereist (German Edition)

Vereist (German Edition)

Titel: Vereist (German Edition)
Autoren: Kendra Elliot
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Bruchlandung schon her?
    Darrin stieß die Luft aus. Einen Augenblick lang hing die Atemwolke schwer vor ihm, dann löste sie sich auf. Er mühte sich mit dem Schlüssel ab, ließ ihn mehrmals fallen und kroch dann jedes Mal unbeholfen auf dem Boden der engen Kabine umher, bis er ihn wiederhatte. Seine verdammten Finger waren taub. Endlich bekam er die Handschellen auf. Aufatmend rieb er sich die Gelenke und die Hände. Er warf die Metallfesseln zu Boden und trat sie weg. Eine Hitzewelle pulsierte durch seine Venen, als sie durch den Gang schlitterten und unter einem Sitz verschwanden.
    Freiheit.
    Mit neuer Kraft öffnete er das Jackett des Marshals noch einmal und zog die Waffe aus dem Schulterholster des Agenten. Er steckte sie sich in den Hosenbund und empfand sofort tiefe Abscheu gegen diesen Fremdkörper. Er hatte das Gefühl, die Pistole würde ihm gleich in die Hose rutschen. Mühsam zog er dem Toten die Jacke aus, nahm ihm das Holster ab, schlüpfte hinein und passte die Riemen und Schnallen an seine Körpergröße an. Der Schmerz in seiner Schulter ließ ihn zischend die Luft einsaugen. Als er den Rücken straffte, spürte er den ungewohnten Druck der Riemen. So ein Ding hatte er noch nie getragen.
    Er griff nach dem Knauf der Waffe an seiner Seite und übte das schnelle Ziehen. Seine Unbeholfenheit ärgerte ihn. Mit Handfeuerwaffen hatte er nicht viel Erfahrung. Er hatte nur als Teenager auf der Farm seines Vaters gelegentlich mit Schrotflinten herumgeballert. Für eine Schrotflinte brauchte man kein großes Talent. Um eine lästige Krähe oder einen Kojoten loszuwerden, zielte man nur in die gewünschte Richtung und konnte sich darauf verlassen, dass die breite Streuung der Körner und der laute Knall die Tiere vertreiben würden. Mit einer kleineren Waffe hatte er es nur bei seiner Verhaftung zu tun gehabt, aber da hatte
er
direkt vor der Mündung gestanden. Seine Opfer erledigte er lieber mit bloßen Händen.
    Das war sauberer. Persönlicher.
    Schusswaffen waren unpersönlich, und schnelle Resultate verschafften Darrin keine Befriedigung. Er legte lieber die Hände fest um eine Kehle und sah in die verlöschenden Augen. Wenn er seinen Griff zwischendurch lockerte, konnte er beobachten, wie das Licht und die Erkenntnis in den Blick zurücksickerten. Packte er wieder härter zu, kam die Panik, und das Licht erlosch erneut. Darrin atmete tief ein. Seine Lider fielen herab, sein Kopf wurde leicht wie unter einer Narkose.
Dieser Rausch
. Dafür lebte er.
    Aber eine unpersönliche Handfeuerwaffe konnte hier draußen sehr nützlich sein.
    Er zog das Handy aus dem Gürtel des Marshals und schaltete es ein. Kein Empfang.
    Mit zusammengepressten Lippen starrte er auf das kleine Display. Der Akku war komplett geladen. Vielleicht würde er draußen irgendwo eine Stelle finden, die nicht in einem Funkloch lag. Eine größere Lichtung oder eine Anhöhe.
    Als er aus dem zerschellten Flugzeug stieg, sanken seine Stiefel in den pulvrigen Schnee. Alles war starr und still. Er warf einen Blick zurück in die Maschine, betrachtete die kleinen Schneewehen, die sich ringsum gebildet hatten und fragte sich erneut, wie lang das Flugzeug schon hier lag. Dann blinzelte er in die Sonne. Der Himmel war zwar bedeckt, aber ein schwacher Schein, der durch das Grau über einer hohen Bergkette im Osten drang, deutete auf einen tiefen Sonnenstand hin. Früher Morgen. Das Flugzeug war am vorigen Abend abgestürzt. Vor etwa zehn Stunden. Er betrachtete die Außenhülle der Maschine und blinzelte.
    Zehn Zentimeter Neuschnee lagen darauf.
    Warum bin ich nicht erfroren?
    Darrin fuhr mit der Hand über die Vorderseite seines weiten, orangefarbenen Häftlingsoveralls, unter dem er ganz normale Kleidung trug. Sein Wollpullover und die Blazers-Stric kmütze, die er nur aufgesetzt hatte, um den Marshal – einen Lakers-Fan – zu ärgern, hatten ihn offenbar vor dem Kältetod bewahrt. Der Marshal hatte Darrin seine geliebten Timberland-Boots und nagelneue Levi’s mitgebracht. In den Kleidern hatte er sich wieder wie ein richtiger Mann gefühlt. Doch dann hatte er sie unter dem orangefarbenen Anzug verstecken müssen. Die verdammten Overalls fühlten sich an wie Plastiktüten. Sie juckten auf der Haut, und in der Zelle schwitzte man in ihnen wie ein Schwein. Aber jetzt war das Synthetikmaterial seine Rettung gewesen: Es hatte seine Körperwärme festgehalten.
    Der Marshal hatte befürchtet, die Piloten könnten die Stiefel bemerken. Aber Darrin
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