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Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Titel: Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
Autoren: Keigo Higashino
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alles belauscht. Was sie und Misato gesprochen hatten, ihren Streit mit Togashi, den Kampf – alles. Es ist aus, dachte sie, und ließ den Kopf hängen. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Sie musste sich stellen und ihr Möglichstes tun, damit nicht herauskam, dass Misato beteiligt gewesen war.
    »Hören Sie mir zu, Frau Hanaoka?«
    »Ja, ich höre.«
    »Kann ich zu Ihnen rüberkommen?«
    »Aber ich habe Ihnen doch gerade gesagt …« Yasuko brach ab und sah ihre Tochter an. Misato starrte zurück, offenbar bemerkte sie ihre Furcht und Verwirrung. Bestimmt wunderte sie sich.
    Wenn Ishigami in seiner Wohnung alles mitangehört hatte, wusste er, dass Misato an dem Mord beteiligt gewesen war. Dann konnte sie abstreiten, so viel sie wollte, die Polizei würde ihr nicht glauben.
    Yasuko riss sich zusammen. »Also gut. Ich wollte Sie ohnehin schon um Ihre Hilfe bitten. Bitte, kommen Sie herüber.«
    »Bin sofort bei Ihnen«, antwortete Ishigami.
    »Wer war das?«, fragte Misato, sobald Yasuko aufgelegt hatte.
    »Der Lehrer von nebenan, Herr Ishigami.«
    »Warum? Was will der?«
    »Erkläre ich dir später. Geh in dein Zimmer, und mach die Tür zu. Beeil dich!«
    Mit ratloser Miene verschwand Misato wieder im hinteren Zimmer. Nahezu im selben Augenblick, als ihre Tochter die Tür hinter sich zuzog, hörte Yasuko, wie Ishigami seine Wohnung verließ.
    Einige Sekunden später klingelte es. Yasuko ging zur Tür, schloss auf und löste die Sicherheitskette. Ishigami stand vor ihr. Er machte einen beflissenen Eindruck. Aus irgendeinem Grund hatte er sich eine dunkelblaue Jacke angezogen, die er vorhin nicht getragen hatte.
    »Bitte, kommen Sie herein!«
    Ishigami nickte. Während Yasuko die Tür abschloss, ging er ins Wohnzimmer und entfernte, ohne zu zögern, die Decke vom Kotatsu. Auf ein Knie gestützt, nahm er Togashis Leiche in Augenschein. Er wirkte sehr nachdenklich. Erst jetzt bemerkte Yasuko, dass er Handschuhe trug.
    Furchtsam richtete Yasuko den Blick auf die Leiche. Alles Lebendige war aus Togashis Gesicht gewichen. Speichel und Erbrochenes war aus seinem Mund geronnen und getrocknet.
    »Sie haben alles mitangehört, nicht wahr?«, fragte Yasuko.
    »Gehört? Was denn?«
    »Das ganze Durcheinander hier. Durch die Wand. Und dann haben Sie angerufen?«
    Ishigami wandte sich Yasuko mit ausdrucksloser Miene zu. »Ich konnte Sie nicht sprechen hören, wenn Sie das meinen. Hellhörig ist dieses Gebäude zumindest nicht. Das war sogar einer der Gründe, aus dem ich mich entschlossen habe, hierherzuziehen.«
    »Aber woher …?«
    »Woher ich weiß, was hier passiert ist?«
    Yasuko nickte.
    Ishigami deutete in eine Ecke des Wohnzimmers, wo die leere Bierdose lag. Etwas von der Asche darin war auf dem Boden verstreut.
    »Als ich vor ein paar Minuten bei Ihnen war, habe ich Zigarettenrauch gerochen. Ich vermutete, dass Sie Besuch hatten, konnte aber keine Schuhe entdecken. Es sah aus, als würde unter dem Kotatsu jemand liegen. Das Kabel war herausgezogen. Aber wenn jemand nicht gesehen werden wollte, hätte er ja nur ins hintere Zimmer gehen müssen. Das hieß, die Person unter dem Kotatsu war dort versteckt worden. Als ich den Lärm und den ungewöhnlichen Umstand, dass Ihre Haare zerzaust waren, hinzuzählte, konnte ich mir vorstellen, was passiert war. Und noch etwas – es gibt in diesem Haus keine Kakerlaken. Ich lebe schon seit Jahren hier und habe noch keine einzige gesehen.«
    Yasuko starrte die ganze Zeit auf den Mund des Mannes, der mit gleichmütiger Miene und ohne besondere Betonung auf sie einsprach. Genauso redet er sicher, wenn er seinen Schülern etwas erklärt, dachte Yasuko etwas zusammenhanglos.
    Als ihr bewusstwurde, dass auch er sie beobachtete, wandte sie rasch den Blick ab.
    Er ist ein sehr kühler und kluger Mensch, dachte sie. Wiehätte er sonst nach einem kurzen Blick durch den Türspalt diesen komplizierten Vorgang so genau rekonstruieren können? Zugleich war Yasuko auch erleichtert. Wenn er nicht gehört hatte, was gesprochen wurde, kannte er die Einzelheiten auch nicht.
    »Er war mein geschiedener Mann«, sagte sie. »Wir sind seit mehreren Jahren geschieden, aber er ist immer wieder bei mir aufgetaucht. Wenn ich ihm kein Geld gab, ging er nicht. So war es auch dieses Mal. Ich konnte es nicht mehr ertragen, da sind mir wohl die Nerven durchgegangen.« Yasuko senkte den Blick. Sie konnte ihm nicht erzählen, wie sich alles genau abgespielt hatte. Sie musste Misato unter allen Umständen
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