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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen
Autoren: Tobias Hill
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…«
    »Ja?«
    »Was ich dir noch nicht gesagt habe …«
    »Ja, was denn?«
    »Ich wollte nicht, dass du wütend wirst. Bitte tu’s auch jetzt nicht. Da ist noch eine Sache, die ich erledigen muss.«
    »Eine Sache?«
    »Für die anderen. Etwas für sie.«
    »Nein.«
    »Es ist ganz einfach.«
    »Ich habe Nein gesagt!«
    Eine Zeit lang sagte sie nichts mehr. In der Stille wuchsen seine Panik und seine Wut, bis er daran zu ersticken fürchtete. Sie hatte sich auf dem Sitz zurückgelehnt und schaute zerstreut zu den vielen Menschen hinaus, ohne etwas zu sehen.
    »Mit denen sind wir fertig. Natsuko. Liebes. Wir sind fertig mit denen. Jetzt gibt’s nur noch uns beide.«
    Sie schüttelte den Kopf, immer noch ohne ihn anzusehen, und auf einmal begriff er.
    »Sie wissen, dass wir hier sind. Sie haben gewusst, wo wir hinfahren. Deshalb hast du gewusst, dass sie uns nicht verfolgen würden. Ist es so?«
    »Ja.«
    »Haben sie dir gesagt, du musst mich hierher bringen?«
    »Ben …«
    »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
    »Auf deiner.«
    »Sieh mich an!«
    Sie schaute todunglücklich. »Ich kann nichts dafür. Sie waren da, als du angerufen hast.«
    »Wo?«
    »Bei Eberhard.«
    »Warum hast du mir das nicht gesagt? War er auch da? Eberhard? Der lässt uns nie gehen. Du weißt nicht, wie er ist, du hast ihn nicht gesehen, vor der Höhle… o Gott, nein. Warum hast du’s nicht gesagt?«
    Er schrie auf sie ein, wollte sie überreden. Wozu? Die Vergangenheit ungeschehen zu machen. Ihre Augen wirkten riesig im dunklen Inneren des Autos.
    »Ich hab’s ihnen versprochen.«
    »Was?«
    »Es ist nur noch eine einzige Sache. Nur eine. Wir dürfen niemandem etwas sagen, und wir müssen etwas hier zurücklassen. Eine Nachricht an die Behörden. Dann lassen sie uns gehen! Ben?«
    Sein Kopf begann wehzutun, der Schmerz kehrte Schlag um Schlag zurück. Es war stickig in dem Auto. Er ließ das Fenster herunter und beugte sich in die Nachtluft hinaus.
    »Lass es mich tun. Dann können wir weg, Ben. Wir können zusammen weggehen!«
    Zwei Männer gingen vorbei, jung und geschleckt; ihr blasiertes Lächeln verging ihnen, als sie ihn sahen und gleich wieder wegschauten. Sein Gesicht war schweißnass. Der Abend war in der Großstadt viel wärmer als in Sparta. Er roch sich immer noch, aber auch etwas anderes, viel Besseres. Orangen, das war es. Orangenbäume, die im Dunkeln atmeten.
    »Bitte!«
    »Die werden uns nie gehen lassen.«
    »Sie haben es aber versprochen.«
    »Und du hast ihnen geglaubt?«
    »Dann gehen wir eben ganz woandershin. Irgendwohin, wo sie uns nicht finden.«
    »Nämlich wohin?«
    »Irgendwohin«, sagte sie. »Wir können neu anfangen.«
    »Und du versprichst, dass mit dem hier dann Schluss ist?«
    »Ich versprech’s.«
    »Und dann fahren wir weg«, sagte er, und als sie es wiederholte: »Sag mir, was ich tun muss.«
    Er hörte das Lächeln in ihrem Seufzer und drehte sich wieder zu ihr um, als ihre Arme sich um ihn schlangen.
    »Vielen, vielen Dank!«
    »Du musst mir nicht… Ich will nicht drüber reden. Sag mir nur einfach, was es ist.«
    Sie nickte und ließ ihn los. Sie löste ihren Sicherheitsgurt, mit hastigen Bewegungen, ihre Stimme nach wie vor sanft. »Hast du dein Handy?«
    »Ich hab gar nichts.«
    »Dann muss ich dir meins geben, und ich such mir eine Zelle. Ich geh als Erste. Um mich zu überzeugen, dass es nicht gefährlich ist. Wenn ich dich anrufe, bringst du die Nachricht. Die Behörden werden sie rasch finden, hier. Dann können wir weg. Du siehst so besorgt aus.«
    »Ich bin’s auch!«
    »Mach dir keine Sorgen. Vertrau mir.«
    Sie öffnete die Tür und stieg aus. Er schaute nach hinten. Auf dem Rücksitz lagen ihre Gepäckstücke. Das einzige Licht, das hereinfiel, kam von den Laternen auf dem Platz. Die HellaSpar-Tüte war umgekippt, der Inhalt in den Fußraum gefallen.
    »Wo ist sie? Die Nachricht?«
    »Das sag ich dir, wenn ich anrufe.«
    »Natsuko, warte, lass mich als Ersten gehen«, sagte er, und sie beugte sich lächelnd herab und streichelte ihm die Wange.
    »Ich kann das besser. Du siehst zu sehr nach einem bösen Mann aus.«
    Er hob die Hand, um sie festzuhalten. »Das hatte ich vergessen. «
    »Dummchen. Vergiss mich nicht.«
    Sie küsste ihn und lief los. Sie schlängelte sich gewandt durchs Gewühl und zwischen den Bäumen hindurch, zur Mitte des Platzes hin. Gerade als er dachte, er hätte sie aus den Augen verloren, blieb sie stehen und schaute zurück. Sein Blick war getrübt. Dadurch
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