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Verblendung

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Titel: Verblendung
Autoren: Stieg Larsson
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Schultern.
    »Außerdem könnte ich die Story gar nicht mehr schreiben«, erklärte er. »Mir steht die Familie Vanger bis obenhin.«
    Sie dachten wieder einen Moment nach, bevor Mikael das Thema wechselte.
    »Wie fühlt es sich an, nach fünfundzwanzig Jahren wieder Geschäftsführer zu sein?«
    »Es ist ja nur vorübergehend, aber … ich wünschte, ich wäre jünger. Im Moment arbeite ich nur drei Stunden am Tag. Alle Treffen werden in diesem Zimmer abgehalten, und Dirch steht mir wieder zur Seite, für den Fall, dass jemand aus der Reihe tanzt.«
    »Dann hoffe ich, dass sie die Junioren gut unter Kontrolle haben. Ich habe ein ganzes Weilchen gebraucht, bis mir klar wurde, dass Frode nicht nur ein braver Ratgeber in Finanzdingen für Sie war, sondern die Person, die all Ihre Probleme löst.«
    »Genau. Aber wir fassen alle Beschlüsse gemeinsam mit Harriet, und sie leistet auch die ausführenden Arbeiten im Büro.«
    »Reicht das?«
    »Ich weiß es nicht. Birger arbeitet ihr entgegen und versucht ständig, ihr ein Bein zu stellen. Alexander ist plötzlich aufgegangen, dass er eine Chance hat, sich Geltung zu verschaffen, und hat sich mit Birger zusammengetan. Mein Bruder Harald hat Krebs und wird nicht mehr lange leben. Er hat als Einziger noch einen großen Aktienanteil von sieben Prozent, den die Kinder erben werden. Cecilia und Anita werden sich mit Harriet verbünden.«
    »Dann kontrollieren Sie über vierzig Prozent.«
    »So ein Stimmenkartell hat es in der Familie noch nie zuvor gegeben. Und genügend Teilhaber mit einem oder zwei Prozent werden sich uns anschließen. Harriet wird im Februar meinen Posten als Geschäftsführer übernehmen.«
    »Sie wird nicht glücklich werden.«
    »Wer weiß. Wir müssen neue Partner und neues Blut in unsere Firma holen. Wir haben auch die Möglichkeit, mit ihrer Firma in Australien zusammenzuarbeiten. Da gibt es Chancen.«
    »Wo ist Harriet heute?«
    »Sie haben Pech. Sie ist in London. Aber sie möchte Sie furchtbar gerne sehen.«
    »Ich werde sie im Januar auf der Vorstandssitzung bei Millennium sehen, wenn sie Ihre Nachfolge antritt.«
    »Ich weiß.«
    »Richten Sie ihr aus, dass ich über die Geschehnisse der sechziger Jahre mit niemand außer Erika Berger sprechen werde.«
    »Da sind wir uns ganz sicher. Wir kennen Ihre Integrität.«
    »Aber sagen Sie ihr auch, dass alles, was sie von jetzt an tut, in die Zeitung kommen kann, wenn sie nicht aufpasst. Der Vanger-Konzern hat bei uns keinen Freibrief, wir werden ihn genauso beobachten wie andere Unternehmen.«
    »Ich werde sie warnen.«
    Mikael verließ Henrik Vanger, als der alte Mann langsam einschlummerte. Er packte seine Habseligkeiten in zwei Taschen. Als er die Tür des Gästehäuschens zum letzten Mal schloss, zögerte er kurz, bevor er zu Cecilia hinüberging und klopfte. Sie war nicht zu Hause. Er zückte seinen Taschenkalender, riss eine Seite heraus und schrieb ein paar Worte drauf. Verzeih mir. Ich wünsche Dir alles Gute. Zusammen mit seiner Visitenkarte warf er den Zettel in ihren Briefkasten. In ihrem Küchenfenster stand ein weihnachtlicher Kerzenleuchter mit elektrischen Lichtern.
    Er nahm den Abendzug zurück nach Stockholm.
     
    Zwischen den Jahren kapselte sich Lisbeth Salander völlig von der Welt ab. Sie ging nicht ans Telefon und schaltete ihren Computer nicht an. Sie verbrachte zwei Tage damit, ihre Kleider zu waschen, die Wohnung zu schrubben und aufzuräumen. Uralte Pizzakartons und Tageszeitungen wurden gebündelt und weggeworfen. Insgesamt trug sie sechs schwarze Müllsäcke hinaus und ungefähr zwanzig Tüten Altpapier. Als hätte sie beschlossen, ein völlig neues Leben anzufangen. Sie hatte vor, sich eine Wohnung zu kaufen - falls sie etwas Passendes fand -, aber bis dahin sollte ihr altes Zuhause so strahlend sauber sein wie nie zuvor.
    Danach saß sie wie gelähmt auf dem Sofa und grübelte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solche Sehnsucht verspürt. Sie wollte, dass Mikael an ihrer Tür klingelte und … was? Sie in den Arm nahm, leidenschaftlich ins Schlafzimmer zerrte und ihr die Kleider vom Leib riss? Nein, eigentlich wollte sie bloß mit ihm zusammen sein. Sie wollte hören, wie er sagte, dass er sie so mochte, wie sie war. Sie wollte hören, wie er sagte, dass sie in seiner Welt und in seinem Leben etwas ganz Besonderes war. Sie wollte, dass er ihr eine Geste der Liebe zuteil werden ließ, nicht nur der Freundschaft und Kameradschaft. Jetzt dreh ich wohl langsam durch .
    Sie
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