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Verblendung

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Titel: Verblendung
Autoren: Stieg Larsson
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wurden. Zwei Tage nach der Veröffentlichung wurde die Wennerström-Affäre zu einer Regierungsangelegenheit, zu der sich sogar der Wirtschaftsminister äußern musste.
    Die Medien nahmen die Behauptungen des Millennium -Magazins nicht ohne kritische Fragen hin - dafür waren die Enthüllungen zu krass. Aber im Gegensatz zur ersten Wennerström-Affäre konnte Millennium diesmal überwältigende und überzeugende Beweise vorlegen: Wennerströms E-Mails, Kopien vom Inhalt seines Computers mit Auszügen geheimer Konten auf den Cayman Islands und in zwei Dutzend anderen Ländern. Ferner heimliche Verträge und andere Dummheiten, die ein vorsichtigerer Verbrecher um nichts in der Welt auf seiner Festplatte gespeichert hätte. Und dabei wurde nicht nur ein Firmenimperium unter die Lupe genommen. Sollten die Enthüllungen von Millennium auch der Prüfung des Oberlandesgerichts standhalten - und alle waren sich einig, dass diese Angelegenheit früher oder später dort landen würde -, dann war mit der Wennerström-Gruppe definitiv die größte Blase der schwedischen Finanzwelt seit dem Kreuger-Crash von 1932 geplatzt. Neben dieser Affäre verblassten alle Gotabank-Skandale und Trustor-Schwindel. Das hier war organisierte Kriminalität von solchem Ausmaß, dass niemand auch nur zu spekulieren wagte, wie viele Gesetzesbrüche hier vorliegen mochten.
    Zum ersten Mal in der Geschichte des schwedischen Wirtschaftsjournalismus fielen Worte wie systematisches Verbrechen , Mafia und Gangsterkreise . Wennerström und sein engster Kreis von jungen Börsenmaklern, Teilhabern und Armanigekleideten Rechtsanwälten wurden so porträtiert wie jede beliebige Bande von Bankräubern oder Dealern.
     
    Während der ersten vierundzwanzig Stunden des ganzen Medienrummels war Mikael Blomkvist unsichtbar. Er beantwortete keine Mails und war auch telefonisch nicht zu erreichen. Alle redaktionellen Kommentare kamen von Erika Berger, die wie eine Katze schnurrte, als sie von landesweiten schwedischen Medien und wichtigen Lokalzeitungen sowie einer wachsenden Zahl ausländischer Medien interviewt wurde. Wann immer man ihr die Frage stellte, wie Millennium in den Besitz all dieser höchst privaten, internen Dokumente hatte kommen können, antwortete sie mit einem geheimnisvollen Lächeln, das in die nebulöse Aussage mündete: »Unseren Informanten können wir selbstverständlich nicht preisgeben.«
    Als man sie fragte, warum die letztjährige Enthüllungsreportage über Wennerström in so einem Fiasko geendet hatte, gab sie sich noch geheimnisvoller. Sie log nie, aber sie sagte vielleicht nicht immer die ganze Wahrheit. Off the record , wenn sie kein Mikrofon vor der Nase hatte, ließ sie ein paar rätselhafte Sticheleien fallen. Wenn man all diese Teilinformationen zusammenfügte, konnte man zu voreiligen Schlüssen gelangen. Und so entstand ein Gerücht, das schnell legendäre Ausmaße annahm: Mikael Blomkvist habe sich vor Gericht nicht verteidigt und sich freiwillig zu einer Gefängnisstrafe und einer hohen Geldbuße verurteilen lassen, weil die Offenlegung seines Beweismaterials unweigerlich zur Identifizierung seines Informanten geführt hätte. Er wurde mit amerikanischen Vorbildern in der Medienwelt verglichen, die eher ins Gefängnis gingen, als einen Informanten zu verraten. Man stilisierte ihn so hemmungslos zum Helden, dass er sich schon genierte. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Missverständnisse aufzuklären.
    In einem Punkt waren sich alle einig: Die Person, von der die Beweise stammten, musste aus Wennerströms innerstem Zirkel stammen. Damit begann eine langatmige Nebendebatte, wer in diesem Fall der Maulwurf war. Mitarbeiter, die vielleicht Grund zur Unzufriedenheit hatten, Anwälte, sogar Wennerströms kokainabhängige Tochter und andere Familienmitglieder wurden als mögliche Kandidaten gehandelt. Weder Mikael noch Erika äußerten sich dazu. Sie kommentierten das Thema grundsätzlich nicht.
    Erika lächelte zufrieden. Als am dritten Tag des Medienrummels eine der beiden Abendzeitungen mit Revanche für Millennium titelte, wusste sie, dass sie gewonnen hatten. Der Artikel war ein schmeichelhaftes Porträt des Magazins und seiner Mitarbeiter und außerdem mit einem außerordentlich vorteilhaften Foto von Erika Berger illustriert. Man nannte sie die Königin des investigativen Journalismus. Das brachte Pluspunkte in den Klatschspalten, und schon bald war die Rede vom Großen Journalisten-Preis.
     
    Fünf Tage nachdem
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