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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
Autoren: Carmen Korn
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steht ein Kartoffelauflauf. Nur noch in den Backofen schieben. Vierzig Minuten«, sagte Anni.
    Vera nickte. Vielleicht war sie doch noch jung genug, um sich auf diesen Jungen am Klavier einzulassen.
    »Morgen um zehn«, sagte Anni und ging zur Tür hinaus.
    Die Tür fiel ins Schloss, und danach war die Stille laut.
    Etwas war anders an diesem späten Nachmittag. Vermutlich war sie nicht länger in der Lage, allein zu leben, kaum, dass sich die Verliebtheit eingeschlichen hatte.
    Noch einige Lampen mehr anschalten. Das Radio. Sich an das alte Klavier setzen, auf dem Gustav Lichte alle seine Lieder komponiert hatte. Singen. Ein Geschrei machen.
    Vera ging in eines der vorderen Zimmer. Das mit dem größeren Balkon. Beinah schon eine Terrasse.
    Sie setzte sich an das Klavier und blieb still sitzen.
    Doch sie fuhr zusammen, als sie den Schrei hörte. Einen hohen Schrei. Vera sah auf die Noten, die vor ihr standen.
    Grieg. Hochzeitstag auf Troldhaugen. Spielte sie das?
    Hatte sie eben einen Schrei gehört?
    Vor einer kleinen Weile hatte Vera geglaubt, die Stimme ihres Vaters zu hören, die vom Wetter sprach.
    Warum sollte der Schrei wahrer sein?
    Vera lauschte in die Wohnung hinein und stand dann auf. Das Unbehagen abschütteln. Die Haare waschen. An diesem Abend wollte sie mit offenen Haaren auf dem Flügel liegen.
    Er hatte sich geärgert über die dralle Dame. Die zufälligen Bekanntschaften brachten es nicht. Das alles bedeutete zu viel Vorbereitung, um dann doch nur an ein aufgeplustertes Huhn zu geraten, das ihm alles verdarb.
    Philip Perak hörte die kläglichen Geräusche, die laut genug waren, um zu ihm nach vorne zu dringen.
    Das Huhn saß im hintersten der Zimmer und heulte.
    Dabei hatten die Spitzen dieser herrlichen Stilettos von Stephane Kélian die Haut nur leicht geritzt. Perak griff nach dem einen Schuh, der die Platte mit den Austern nur knapp verfehlt hatte. Die Austern konnte er wegwerfen.
    Er drehte das Teil aus perlmuttfarben schimmerndem Leder in der Hand, als sei er der Bote des Königs, der den passenden Fuß dazu suchte. Es war tatsächlich ein Schuh für schmale kleine Füße. Das hier war kein Travestieschuppen.
    Perak fand den zweiten der Stilettos unter dem Bösendorfer. Hingeworfen, auch er. Philip Perak hasste Unordnung.
    Am Anfang der hysterischen Szene hatte das Seidenkleid gestanden. Zu eng für das Huhn. Er hatte ihre Maße nicht im Kopf gehabt, im Nachtclub schien sie ihm schlanker.
    Doch sie war ganz verrückt darauf gewesen, in diesen seidenen Schlauch zu steigen. Zerrte am Reißverschluss, der sich nicht schließen ließ. Er hatte ihr nur geholfen.
    Den Reißverschluss hochgezogen. Nicht nachgegeben, als die Haut ihres Rückens in die kleinen Zähne geriet.
    Philip Perak setzte sich an den Bösendorfer.
    Schönberg würde helfen, den Ärger zu lindern. Das sechste Klavierstück vielleicht. Aus dem Opus neunzehn. Unter dem Eindruck des Todes von Gustav Mahler geschrieben.
    Er legte die Hände auf die Tasten des Flügels. Schmale Hände. Schöne Hände. Doch dann spielte er ein anderes Stück. Debussy. Aus den Six Epigraphes Antiques.
    Er hatte vor, es so lange zu spielen, bis das Huhn aus dem hinteren Zimmer gekommen war. Einen Cognac wollte er ihr noch anbieten. Vielleicht den guten Hine Antique.
    Das passte doch zu Debussy. Ein Gesamtwerk sozusagen.
    Und dann durfte sie gehen.
    Vera hörte den Debussy zum sechsten Mal, seit sie in der Diele stand und die nassen Haare vor dem alten Spiegel kämmte. Pour L'Egyptienne. Ein ungewöhnliches Stück für ihren Nachbarn. Fast schon gefällig.
    Was wollte er damit übertönen? Die letzten Seufzer seines Opfers? Vera glaubte nun sicher, einen Schrei gehört zu haben, der von nebenan gekommen war.
    Vor einem halben Jahr noch hatte dort drüben eine große laute Familie gelebt, deren Kinder viel in Veras Küche saßen, von Anni mit Essen und Geschichten versorgt.
    Eine geliehene Geborgenheit für Vera, doch sie hatte sich kaum je einsam gefühlt. Selbst der Lärm, der durch die Wände drang, war gemütlich gewesen. Erst seit sie Philip Perak da wusste, kam sie sich in der eigenen Wohnung wie auf dem Mond vor. Ein Mann, der in der Nacht Saiten zerriss und an Nachmittagen Frauen dazu trieb, Schreie auszustoßen. Lustvoll hatte es nicht geklungen.
    Sechs Schläge der französischen Pendeluhr. Anni musste das eine Gewicht wiedergefunden haben. Die Uhr hatte tagelang still gelegen. Das konnte nur in ihrem Haushalt passieren, dass das bleischwere
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