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Venezianische Versuchung

Venezianische Versuchung

Titel: Venezianische Versuchung
Autoren: MIRANDA JARRETT
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kurze Eintragungen vorgenommen. Die Überquerung des Ärmelkanals, die lange beschwerliche Kutschfahrt nach Paris, die ersten der vielen Sehenswürdigkeiten, die es dort zu bewundern gab – dies alles war nicht besonders ausführlich geschildert worden. Auch die interessanten Menschen, denen sie begegnet war, hatte sie nur kurz erwähnt.
    Irgendwann allerdings war sie vom Zauber des Neuen und Ungewöhnlichen so hingerissen gewesen, dass Jane begonnen hatte, Skizzen von Bau- oder Kunstwerken anzufertigen und zu allen möglichen Zeiten sowie an den verschiedensten Orten ihre Eindrücke auf Zetteln zu notieren. Diese losen Blätter hatte sie zusammen mit Eintrittskarten, Rechnungen und gepressten Blumen in das Tagebuch gelegt, das dadurch beinahe doppelt so dick geworden war.
    Als sie nun Seite für Seite umblätterte und verschiedene der kleinen Andenken betrachtete, war ihr fast, als erlebe sie alles noch einmal. Dies waren Erinnerungen, die ihr immer bleiben würden. Selbst der Duke konnte sie ihr nicht nehmen, nicht einmal, wenn er sie fristlos entließ.
    Sie dachte an die alten Kathedralen, die ruhmreichen Burgen und die herrlichen Kunstschätze zurück, die sie gesehen hatte, und musste unwillkürlich lächeln. Das alles hatte sie zutiefst beeindruckt. Aber am schönsten war doch das, was in den Briefen stand, die Lady Mary und Lady Diana ihr geschrieben hatten, seit sie verheiratet waren. Aus jeder Zeile sprach die Freude darüber, so viel Liebe und Glück gefunden zu haben.
    Solange sie mit den Mädchen zusammenlebte, hatte Jane geglaubt, sie sei auf die unaufhaltsam näher rückende Trennung von ihnen vorbereitet. Mussten nicht alle Gouvernanten irgendwann von ihren Zöglingen Abschied nehmen? Mussten nicht alle sich dann eine neue Stellung suchen?
    Wie wunderbar, wenn man sich damit ein wenig Zeit lassen konnte! Jane betrachtete es als großes Glück, dass sie ein paar Wochen in Venedig bleiben und all das genießen konnte, was die Stadt zu bieten hatte. Lady Mary und Lady Diana hatten darauf bestanden. Die jungen Damen hatten erklärt, es sei viel zu gefährlich für Miss Wood, mitten im Winter nach England zurückzukehren. Außerdem wollten die frischgebackenen Ehefrauen mitsamt ihren Gatten während des Karnevals für ein paar Tage nach Venedig kommen. Wer hätte ihnen die Sehenswürdigkeiten zeigen sollen, wenn ihre ehemalige Gouvernante nicht mehr dort war?
    Trotz der Aussicht auf das Wiedersehen und trotz der vielen liebevollen Briefe fehlten Jane die Mädchen sehr. Manchmal fühlte sie sich so einsam, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Wie viel schöner wäre es gewesen, die Lagunenstadt nicht allein, sondern gemeinsam mit ihren früheren Schützlingen zu erforschen! Aber das war natürlich ein selbstsüchtiger Gedanke. Für Lady Mary und Lady Diana konnte es nichts Besseres geben als das Zusammensein mit ihren wundervollen Gatten.
    Mit jenen Gentlemen, die der Duke für ausgemachte Schurken hielt …
    Jane hatte nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass Aston unangekündigt in Venedig auftauchen würde. Sie hatte zwar immer gewusst, dass er seine Töchter liebte. Dennoch hatte sie sich nicht vorstellen können, dass er England aus Sehnsucht nach ihnen verlassen würde. Nun, offenbar war er ohne die Mädchen unglücklich gewesen. Er musste sehr unter dem Alleinsein gelitten haben.
    Seltsam … Solche Gefühle scheinen gar nicht zu ihm zu passen, dachte Jane. In Aston Hall war er ihr immer so stark vorgekommen, beinahe wie ein unverwundbarer Gott. Sie hatte ihn kaum je als Mann mit menschlichen Gefühlen und Schwächen wahrgenommen.
    Himmel, wurde sie jetzt sentimental?
    Entschlossen band sie erst Marys und dann Dianas Briefe mit einem Bändchen zusammen, griff nach Tagebuch und Kerze und kehrte in ihr eigenes Zimmer zurück. Sie schlüpfte unter die Bettdecke, löschte das Licht und schloss die Augen. Zeit zu schlafen!
    Doch der Schlaf wollte nicht kommen. Jane drehte sich von einer Seite auf die andere, machte sich Gedanken über dieses und jenes. Und irgendwann verwandelte sich ihr Mitgefühl mit dem Duke in Zorn darüber, dass er sich so gar nicht bemühte, seine Töchter zu verstehen. Wie selbstgerecht er war! Gewiss lag er in seinem bequemen Bett, schnarchte womöglich ein wenig und machte den Mädchen noch im Traum Vorwürfe, weil sie geheiratet hatten, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Zweifellos traute er ihnen nicht zu, selbst eine gute Wahl treffen zu können. Deshalb hatte er auch
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