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Venezianische Versuchung

Venezianische Versuchung

Titel: Venezianische Versuchung
Autoren: MIRANDA JARRETT
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Begrüßung? Ihm war klar, dass es ein Risiko gewesen war, sich auf die Reise nach Venedig zu machen. Aber da er die Miete für dieses Stadtpalais bezahlte, konnte er doch zumindest damit rechnen, dass man ihm ein wenig Dankbarkeit entgegenbrachte.
    „Hochwohlgeborener Herr …“
    Er fuhr herum.
    Der Diener mit der Laterne stand an der Tür und fuhr ein wenig atemlos, aber in durchaus verständlichem Englisch fort: „Sie möchten die englische Lady sehen?“
    Richard nickte. Der starke italienische Akzent des Mannes ärgerte ihn, obwohl er wusste, dass er von Glück sagen konnte, überhaupt auf jemanden zu treffen, der seine Sprache beherrschte. Im Übrigen wollte er beide englischen Ladys sehen, nicht nur eine. Also forderte er den Bediensteten auf: „Teilen Sie den Damen mit, dass …“
    Der Mann hob die Laterne und deutete mit dem Kinn in Richtung der Treppe. „Sie wartet schon.“
    Leicht verwirrt wandte Aston sich wieder den beiden Engeln zu. Dann ließ er den Blick langsam nach oben gleiten. Und tatsächlich! Am oberen Ende der Treppe konnte er im Dämmerlicht den Umriss einer weiblichen Gestalt ausmachen. Er stieg einige Stufen hinauf und kniff die Augen ein wenig zusammen, um besser sehen zu können. Eine Frau, ja. Aber es handelte sich ganz offensichtlich um keine der Damen, die er zu treffen wünschte. Immerhin erkannte er sie jetzt. Es war die Gouvernante seiner Töchter, eine kleine Frau, deren weit aufgerissene Augen riesig wirkten in dem blassen Gesicht. Sie trug ein einfach geschnittenes Kleid aus brauner Wolle. Das Haar hatte sie streng zurückgekämmt und unter einer schmucklosen Haube verborgen. Mit beiden Händen umklammerte sie das Treppengeländer, so als könne sie sich nur mit Mühe aufrecht halten. Sie wirkte zutiefst aufgewühlt.
    „Euer Gnaden …“, stammelte sie und knickste, ohne das Geländer loszulassen. „Guten Abend, Euer Gnaden. Ich hatte Sie nicht erwartet.“
    „Das ist offensichtlich“, entgegnete er leicht gereizt. „Ich bin müde, Miss Wood. Und ungeduldig. Ich will meine Töchter sehen. Bitte, bringen Sie mich sofort zu ihnen.“
    „Zu Lady Mary?“, fragte sie in einem Ton, der Astons Zorn aufs Neue entfachte. „Und zu Lady Diana?“
    „Allerdings. Andere Töchter habe ich nicht!“ Mit wenigen Schritten hatte er die Treppe erreicht, hielt abrupt inne und starrte zu Jane Wood hinauf. „Also?“ Seine Stimme verriet, dass seine Geduld zu Ende ging. Nichts außer der Sehnsucht nach den Mädchen hätte ihn jemals bewegen können, die beschwerliche Reise auf sich zu nehmen. Nun wollte er seine geliebten Kinder endlich in die Arme schließen! Er sehnte sich nach der ernsten dunkelhaarigen Mary, die ihn so sehr an seine verstorbene Gattin erinnerte, und nach der ein Jahr jüngeren Diana, die sein eigenes aufbrausendes Temperament ebenso geerbt hatte wie sein helles Haar. Kein Vater hätte seine Töchter schmerzlicher vermissen können als er.
    Aus dem Dunkel tauchte eine zweite Frau auf und stellte sich neben die Gouvernante. Es schien sich um eine Venezianerin zu handeln, eine Witwe vermutlich, denn sie war ganz in Schwarz gekleidet. Sie machte einen eleganten, vornehmen Eindruck.
    „Ich war lange unterwegs“, stellte Richard fest, „und ich verbitte mir jede weitere Verzögerung.“
    „Ihre Töchter …“, murmelte Miss Wood, und sie klang so traurig, dass Aston erschrak.
    Tröstend legte die andere Frau der Gouvernante die Hand auf den Arm. Dabei sprach sie in leisem Italienisch auf sie ein. Doch Miss Wood schüttelte nur betrübt den Kopf, ehe sie sich wieder dem Duke zuwandte und sagte: „Dann haben Sie wohl meine Nachrichten nicht erhalten, Euer Gnaden? Und auch nicht die Briefe der beiden jungen Damen? Sie wissen gar nicht, was geschehen ist?“
    „Was sollte ich wissen?“, fragte er lauter als beabsichtigt. „Verflucht, ich war wochenlang per Schiff unterwegs! Die letzten Nachrichten, die mich erreicht haben, kamen aus Paris. Bringen Sie mich jetzt endlich zu meinen Töchtern!“
    „Das ist leider nicht möglich, Euer Gnaden. Ich wünschte von ganzem Herzen, es wäre anders.“ Sie löste die Finger vom Treppengeländer und ließ sich langsam auf die oberste Stufe sinken. Es sah aus, als habe alle Kraft sie verlassen. „Die jungen Damen sind nicht hier. Bei Gott, wenn Sie doch nur Lady Marys und Lady Dianas Briefe gelesen hätten!“
    Aston erbleichte. Was war mit seinen Töchtern geschehen? Eine Vielzahl furchtbarer Möglichkeiten schoss ihm durch
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