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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen
Autoren: Krischan Koch
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lief trotzdem hinein. Er landete vor einem Hauseingang voller blank geputzter goldener Klingelknöpfe. Er wurde langsamer, um wieder etwas zu Atem zu kommen. Sein Puls schlug ihm bis zum Hals. Er hatte keine Ahnung mehr, wo er war. Verdammte Scheiße! Er hatte schon wieder die Orientierung verloren. Aber dann sah er auf der abgeblätterten Hauswand das Hinweisschild auf das Traghetto, mit dem er über den Canal Grande setzen wollte.
    Und er hörte die Stimmen der sächsischen Reisegruppe. »Gugge mal. De ganze Wäsche da ohm.«
    »Scheen.«
    Schon schaukelte Harry zusammen mit seinem Freund in der Jeansjacke, zehn weiteren Sachsen und zwei Gondolieri über den Canal Grande, während »Muddi, die Dasche« sichtlich verstört am Traghetto-Anleger Santa Sofia zurückblieb. Der gesamte Bus des Radebeuler Reiseunternehmens passte schlecht auf eine Gondel.
    »Ehnmolisch«, flötete das Venice-Herz, während ein Vaporetto der Linie eins die Gondel umschiffte. Das Traghetto steuerte auf den Campo della Pescaria zu, den Fischmarkt in der Halle mit den rot leuchtenden Stoffmarkisen.
    Wo wollte Harry eigentlich hin? Er musste zurück in seine Wohnung und Zoe warnen, damit sie der verrückten Franca nicht in die Hände fiel. Aber erst mal musste er sicher sein, die Polizei abgehängt zu haben. Er suchte den Schutz der Touristenmassen, die sich in der brütenden Mittagshitze durch die Gassen zwischen Rialtobrücke und San Marco schoben. Es roch nach Schweiß, Desinfektionsmitteln und frittierten Calamari.
    »Gondola! Gondola! You wanna ride?«
    »Mensch Junge, lass mich bloß in Ruhe«, zischte Harry hechelnd mehr zu sich selbst, während er sich auf einer Brücke im Slalom durch eine Gruppe Amerikaner kämpfte.
    »Look, look amaiiiizing. « Unter ihnen kam es zu einem regelrechten Verkehrsstau der Gondeln.
    »Eccolo lì, Gambadigesso! Alt! Fermatelo! « Plötzlich war der Schnauzbart in Uniform wieder da. Irgendwie musste er ihm vor der Rialto den Weg abgeschnitten haben. Die umstehenden Touristen sahen den Polizisten verständnislos an.
    Harry sprang kurz entschlossen auf die erste der in dem engen Kanalstück nebeneinanderliegenden Gondeln. Einer der Gondolieri, im traditionellen Ringelhemd, erzählte gerade in italienischem Englisch blumige Märchen aus der Zeit der Dogen. Eine in einem Brokatkissen im Heck der Gondel hängende Frau juchzte, zwei Asiatinnen kicherten und zückten blitzartig die Kameras, als Harry eher plump als behände, mit seinem Gips quer über die Gondeln trampelte. Die beiden Gondolieri fanden es weniger lustig. Da war Harry schon über die zweite Gondel ans gegenüberliegende Ufer gesprungen. Den Ispettore ließ er protestierend zurück.
    Auf der Piazza San Marco stand die Mittagshitze. Die Fremdenführer aller Herren Länder hatten unter kleinen Fähnchen ihre Kohorten gesammelt und ließen sie jetzt kreuz und quer über den Platz aufeinander zumarschieren. Franzosen gegen Amerikaner, Italiener hinter einer Nationalflagge aus Papier gegen Japaner unter einem Regenschirm, eine deutsche Übermacht gegen ein paar hoffnungslos unterlegene Dänen. Ein Geschwader knatternder Tauben stürzte sich auf das von einem kleinen Mädchen im Rüschenkleid hingehaltene Vogelfutter.
    Harry schlüpfte zwischen den Fronten hindurch, an Dogenpalast und Löwen vorbei über die Piazzetta Richtung Anleger San Zaccaria. Dort traf er wieder mit einigen Versprengten der sächsischen Reisegruppe zusammen und bestieg mit ihnen das Vaporetto Nummer eins.
    »Rialto, Piazzale Roma« , rief der Kartenabreißer, während die Touristen von dem schwankenden Anleger massenhaft auf das Schiff drängten.
    Harry fühlte sich sicher, als das Boot den Canal Grande hinauffuhr und polternd an Salute anlegte und anschließend an der Accademia. Er fühlte sich so sicher, dass er an der Ca’ d’Oro aussteigen wollte, um endlich zu Zoe und seiner Wohnung zu kommen. Aber dann sah er neben dem Vaporetto das schnittige Polizeiboot auftauchen. Irgendwoher wusste der Kommissar, dass Harry sich auf dem Vaporetto der Linie eins befand. Sein Boot überholte nicht, sondern eskortierte das Vaporetto. Und dann tauchte ein zweites sehr viel kleineres Polizeiboot mit der offiziellen Aufschrift »Polizia« und mehreren Beamten an Bord auf. Harry wurde es mulmig, Panik machte sich in all seinen Gliedmaßen breit.
    An der Station San Silvestro waren die Passagierzugänge gesperrt. Niemand durfte das Schiff verlassen oder betreten. Außer dem schnauzbärtigen
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