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Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Titel: Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Autoren: Richelle Mead
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gegenüber auf einem Stuhl Platz. Es war der größte Stuhl im Raum – der, auf dem Tatiana immer gesessen hatte.
    Jill zögerte einen Moment lang, dann richtete sie den Blick wieder auf mich. Ich musste sie irgendwie ermutigt haben, denn sie kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Ich setzte mich auf den neben Lissa und zuckte zusammen, als mir ein kleiner Schmerz die Brust zuschnürte. Die Sorge um mich lenkte Jill vorübergehend von Lissa ab.
    „Wie fühlst du dich? Geht es dir gut? Solltest du überhaupt schon das Bett verlassen?“ Dieses liebe, plappernde Naturell. Ich war froh, es wiederzusehen.
    „Alles bestens“, log ich. „So gut wie neu.“
    „Ich hab mir Sorgen gemacht. Als ich gesehen habe, was passiert ist .... ich meine, da war alles voller Blut und so viel Wahnsinn, und niemand wusste, ob du durchkommen würdest .... “ Jill runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Es war alles so beängstigend. Ich bin jedenfalls froh, dass es dir wieder gut geht.“
    Ich lächelte weiter und hoffte, sie dadurch zu beruhigen. Dann trat Stille ein. Die Atmosphäre im Raum wirkte angespannt. In politischen Situationen war Lissa die Expertin, immer in der Lage, alles mit den richtigen Worten glattzubügeln. Ich war diejenige, die in ungemütlichen Szenarien das Wort ergriff und Dinge sagte, die andere schockierten. Diejenigen Dinge, die niemand hören wollte. Diese Situation wirkte wie eine, die Lissas Diplomatie erforderte, aber ich wusste, dass ich diejenige sein würde, die hier das Kommando übernähme.
    „Jill“, sagte ich, „wir wollten wissen, ob du bereit wärst, hm, eine Rolle bei der Krönungszeremonie zu übernehmen.“
    Jills Blick flackerte kurz zu Lissa hinüber – die noch immer mit steinerner Miene dasaß – und dann wieder zurück zu mir. „Was genau bedeutet eine Rolle übernehmen? Was müsste ich tun?“
    „Nichts Schwieriges“, versicherte ich ihr. „Bloß ein paar Formalitäten, die normalerweise von Familienmitgliedern übernommen werden. Zeremonielle Sachen eben. Wie du es bei der Abstimmung getan hast.“ Ich hatte die Abstimmung zwar nicht mit angesehen, aber Jill hatte offenbar nur neben Lissa stehen müssen, um die Stärke ihrer Familie zu demonstrieren. Es war eine Kleinigkeit, wenn man bedachte, dass ein Gesetz davon abhing. „Im Wesentlichen würdest du einfach zur Schau gestellt werden und eine gute Miene dazu machen.“
    „Na ja“, überlegte Jill laut, „das habe ich während des größten Teils dieser Woche auch schon getan.“
    „Ich habe es fast mein ganzes Leben lang getan“, meinte Lissa.
    Jill wirkte verblüfft. Wieder tappte ich ohne das Band im Dunkeln. Lissas Tonfall hatte nicht klargemacht, was genau sie meinte. Wollte sie Jill herausfordern, meinte sie, dass das Mädchen nicht annähernd das mitgemacht hatte, was Lissa getan hatte? Oder wollte sie Mitgefühl für Jills Mangel an Erfahrung zeigen?
    „Du wirst .... du wirst dich schon daran gewöhnen“, sagte ich. „Mit der Zeit.“
    Jill schüttelte den Kopf, ein kleines, bitteres Lächeln auf dem Gesicht. „Da bin ich mir aber nicht so sicher.“
    Ich war es ebenfalls nicht. Ich war mir überhaupt nicht sicher, wie man mit einer solchen Situation umging, in der sie sich nun plötzlich befand. Im Geiste ging ich eine Liste weiterer bedeutungsloser, freundlicher Dinge durch, die ich sagen konnte, aber schließlich griff Lissa ein.
    „Ich weiß, wie merkwürdig das ist“, sagte sie und sah entschlossen in Jills grüne Augen – das einzige Merkmal, das die Schwestern teilten, fand ich. Jill ließ erkennen, dass sie eher nach Emily schlug. Lissa dagegen trug eine Mischung der Eigenschaften beider Eltern in sich. „Das ist auch für mich merkwürdig. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
    „Was willst du?“, fragte Jill leise.
    Ich hörte die eigentliche Frage heraus. Jill wollte wissen, ob Lissa wirklich sie an ihrer Seite haben wollte. Nach dem Tod ihres Bruders war Lissa am Boden zerstört gewesen .... aber eine überraschende uneheliche Schwester war kein Ersatz für André. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es für die beiden Mädchen sein musste. Ich versuchte es – und scheiterte.
    „Ich weiß es nicht“, gestand Lissa. „Ich weiß nicht, was ich will.“
    Jill nickte und senkte den Blick, allerdings nicht bevor ich das Gefühl sah, das sich in ihren Zügen widerspiegelte. Enttäuschung – obwohl Lissas Antwort sicher nicht vollkommen unerwartet gekommen war.
    Jill stellte die nächstbeste Frage.
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