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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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Paul Petrowitsch gewendet:
    »Du verläßt uns … du verläßt uns, lieber Bruder; hoffentlich für kurze Zeit, doch kann ich dem Wunsche nicht widerstehen, dir auszudrücken, was … ich … was wir … wie sehr ich … wie sehr wir … das Unglück ist, daß wir Russen keinen
›Speech‹
zu halten verstehen. Arkad, rede du an meiner Stelle.«
    »Nein, Papa, ich bin nicht darauf vorbereitet.«
    »Du bist immer noch besser vorbereitet als ich! Kurz, lieber Bruder, erlaube mir, dich einfach zu umarmen und dir alles denkbare Glück zu wünschen; komm so bald als möglich wieder zu uns zurück.«
    Paul Petrowitsch umarmte sämtliche Mitglieder der Gesellschaft, ohne, wohlverstanden, Mitia auszunehmen; er küßte zudem Fenitschka die Hand, die sie ihm ziemlich linkisch darreichte; dann trank er ein zweites Glas Champagner aus und rief mit einem tiefen Seufzer:
    »Seid glücklich, Freunde!
Farewell!
«
    Dieses englische Wort blieb unbeachtet, die Gäste waren alle zu bewegt.
    »Dem Andenken Bazaroffs!« flüsterte Katia ihrem Manne ins Ohr und stieß mit ihm an. Arkad drückte ihr die Hand, wagte aber nicht, den Toast auszubringen.
    Damit, dünkt mich, ist die Geschichte zu Ende. Vielleicht aber wünschen einige unserer Leser zu wissen, wie sich die verschiedenen Personen unserer Erzählung augenblicklich befinden. Es macht uns Vergnügen, diesem Wunsche zu entsprechen.
    Anna Sergejewna hat sich ganz kürzlich verheiratet; sie hat eine Vernunftheirat geschlossen. Der, den sie zum Gemahl genommen, ist einer unserer zukünftigen Aktionsmänner, ein bedeutender Rechtsgelehrter, von ausgesprochen praktischem Sinn, mit starkem Willen und großer Redegewandtheit begabt; übrigens noch ziemlich jung, brav, aber von eisiger Kälte. Sie führen eine musterhafte Ehe und werden es schließlich zu häuslichem Glück, vielleicht gar bis zur Liebe bringen. – Die Fürstin X ist tot und seit dem Tage ihres Hinscheidens vergessen. Vater und Sohn Kirsanoff haben sich in Marino eingerichtet; ihre Geschäfte fangen an, etwas besser zu gehen; Arkad ist ein tüchtiger Landwirt geworden, und das Gut wirft bereits eine ziemlich beträchtliche Rente ab. Nikolaus Petrowitsch wurde zum Friedensrichter erwählt und erfüllt seine Amtspflichten mit dem größten Eifer, er durchreist unaufhörlich den ihm angewiesenen Bezirk, hält lange Reden, denn er ist der Ansicht, daß dem Bauern »Vernunft beigebracht«, das heißt, ihm dieselbe Sache bis zum Überdruß wiederholt werden müsse; indessen, um die Wahrheit zu gestehen, gelingt es ihm weder die aufgeklärten Herren Edelleute, welche über die
»mancipation«
bald geziert, bald schwermutsvoll diskutieren, noch die ungebildeten gnädigen Herren vollständig zu befriedigen, welche diese unglückselige
»mouncipation«
offen verfluchen; die einen wie die andern finden ihn zu lau. Katharina Sergejewna hat einen Sohn bekommen, und Mitia ist schon ein kleiner drolliger Kerl, welcher artig genug läuft und schwatzt. Fenitschka, jetzt Fedosia Nikolajewna, liebt nach ihrem Gatten und Sohn niemand auf der Welt so sehr wie ihre Schwiegertochter, und wenn sich diese ans Pianino setzt, würde sie gern den ganzen Tag an ihrer Seite bleiben. Noch dürfen wir Peter nicht vergessen; er ist ganz stupid und von Wichtigkeit aufgeblasener als je geworden; das hat ihn aber nicht verhindert, eine ziemlich vorteilhafte Heirat zu schließen; er hat die Tochter eines Gärtners aus der Stadt geheiratet, die ihn zwei anderen Verlobten vorgezogen hat, weil diese keine Uhr hatten, während er nicht nur eine Uhr, sondern auch lackierte Halbstiefel besaß!
    Auf der Brühlschen Terrasse in Dresden kann man zwischen zwei und drei Uhr, der fashionabelsten Promenadenzeit, einem ganz weißköpfigen Mann in den Fünfzigen begegnen, der an der Gicht zu leiden scheint, aber noch schön ist, elegant gekleidet, und von jenem besonderen Stempel, den die Gewohnheit der großen Welt aufprägt. Dieser Spaziergänger ist kein anderer als Paul Petrowitsch Kirsanoff. Er hat Moskau aus Gesundheitsrücksichten verlassen und sich in Dresden angesiedelt, wo er vornehmlich mit den englischen und russischen Fremden umgeht. Ersteren gegenüber beobachtet er ein einfaches, beinahe bescheidenes, aber immer würdiges Benehmen; sie finden ihn ein wenig langweilig, halten ihn aber für
»a perfect gentleman«.
Im Umgang mit den Russen fühlt er sich behaglicher, läßt seinem galligen Humor die Zügel schießen, verspottet sich selbst und schont die
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