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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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abzuwälzen, und sagte: »Was, mein Vater?«
    »Eugen,« fuhr Wassili Iwanowitsch fort und sank neben Bazaroff in die Knie, obgleich dieser die Augen geschlossen hatte und ihn nicht sehen konnte. »Eugen, du fühlst dich besser und wirst mit Gottes Hilfe genesen. Aber benütze diesen Augenblick, tue, was deiner armen Mutter und mir die größte Beruhigung gewähren würde. Erfülle deine Christenpflicht! Es ist mir schwer angekommen, dir den Vorschlag zu machen. Aber es wäre noch schrecklicher … Es handelt sich um die Ewigkeit, Eugen! bedenke es wohl …« Die Stimme versagte dem Alten, und ein sonderbares Zucken glitt langsam über das ganze Gesicht seines Sohnes hin, der fortwährend mit geschlossenen Augen dalag.
    »Wenn euch das Vergnügen machen kann, so habe ich nichts dagegen,« sagte er endlich; »es scheint mir aber keine Eile zu haben. Du hast soeben gesagt, daß es besser mit mir geht.«
    »Besser allerdings, Eugen, aber man kann für nichts stehen. Alles hängt vom Willen Gottes ab, und um eine Pflicht zu erfüllen …«
    »Ich will noch warten,« entgegnete Bazaroff, »du sagst ja selber, daß die Krise eben begonnen habe. Wenn wir uns täuschen, was liegt daran! Man gibt ja den Kranken die Absolution, auch wenn sie bewußtlos sind.«
    »Ums Himmels willen, Eugen …«
    »Ich will vorerst warten! ich möchte gern schlafen; laß mich …«
    Und er legte den Kopf wieder aufs Kissen. Der Greis erhob sich, setzte sich in seinen Lehnstuhl, stützte das Kinn in die Hand und zernagte sich die Finger.
    Das Geräusch eines Wagens in Federn, dies Geräusch, welches man in der ländlichen Stille so deutlich unterscheidet, schlug plötzlich an das Ohr des Alten. Das Rollen leichter Räder kam immer näher; man konnte schon das Schnauben der Pferde hören … Wassili Iwanowitsch sprang aus dem Lehnstuhl auf und lief ans Fenster. Ein zweisitziger Reisewagen mit vier nebeneinandergespannten Pferden fuhr in den Hof seines kleinen Hauses ein. Ohne sich Rechenschaft zu geben, was dies bedeute, und unwillkürlich von einem freudigen Gefühl durchzuckt, lief er vor die Tür. Ein Livreebedienter öffnete den Wagen, und eine verschleierte Frau in schwarzer Mantille stieg aus.
    »Ich bin Frau Odinzoff,« sagte sie. »Lebt Eugen Wassiliewitsch noch? Sie sind sein Vater? Ich habe einen Arzt mitgebracht.«
    »Gottes Segen über Sie!« rief Wassili Iwanowitsch aus, ergriff ihre Hand und drückte sie krampf haft an seine Lippen, während der Arzt, von dem Frau Odinzoff gesprochen, ein kleiner Mann mit Brille und einer deutschen Physiognomie, langsam den Wagen verließ. – »Er lebt noch, mein Eugen, und wird jetzt gerettet werden! Frau! Frau! es ist ein Engel vom Himmel zu uns gekommen …«
    »Was gibts! großer Gott!« stammelte Arina Vlassiewna, welche aus dem Wohnzimmer gelaufen kam und, gleich im Vorzimmer zu den Füßen Anna Sergejewnas sinkend, wie eine Wahnsinnige den Saum ihres Kleides küßte.
    »Was machen Sie, was machen Sie!« sagte Frau Odinzoff zu ihr; aber Arina Vlassiewna hörte sie nicht, und Wassili Iwanowitsch wiederholte fortwährend: »Ein Engel! ein Engel vom Himmel!«
    »Wo ist der Kranke?« fragte endlich auf deutsch der Arzt mit ungeduldiger Miene.
    Diese Worte brachten Wassili Iwanowitsch wieder zur Vernunft.
    »Hier! hier! wollen Sie mir gefälligst folgen, ›wertester Herr Kollega‹,« fügte er gleichfalls auf deutsch und in Gedanken an seinen früheren Rang hinzu.
    »Ah!« sagte der Deutsche mit bitterem Lächeln.
    Wassili Iwanowitsch führte ihn in sein Arbeitszimmer.
    »Da ist ein Arzt, den Anna Sergejewna Odinzoff schickt,« sagte er, indem er sich zum Ohr seines Sohnes niederbeugte, »und sie selbst ist gleichfalls hier.«
    Bazaroff öffnete sogleich die Augen.
    »Was sagst du?«
    »Ich habe dir die Nachricht gebracht, daß Anna Sergejewna Odinzoff hier ist und dir diesen ehrenwerten Doktor hier mitgebracht hat.«
    Bazaroff ließ die Augen durchs Zimmer laufen.
    »Sie ist hier? … ich will sie sehen …«
    »Du sollst sie sehen, Eugen … zuvor aber müssen wir ein wenig mit dem Herrn Doktor reden. Ich will ihm deine ganze Krankheitsgeschichte erzählen, weil Sidor Sidoritsch (so hieß der Distriktsarzt) weggegangen ist; dann können wir eine kleine Konsultation halten.«
    Bazaroff blickte den Arzt an.
    »Gut, machs so schnell wie möglich mit ihm ab, aber sprecht nicht Lateinisch, denn ich verstehe, was es heißt:
iam moritur.
«
    »Der Herr scheint des Deutschen mächtig zu sein,« sagte
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