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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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der Schüler Äskulaps wieder auf deutsch, zu dem Alten gewandt.
    »Ick … abe … sprechen Sie Russisch, das wird besser sein,« antwortete Wassili Iwanowitsch.
    »Aha, so stehts … gut!« Und die Konsultation begann.
    Eine Viertelstunde später trat Anna Sergejewna in Begleitung Wassili Iwanowitschs in das Zimmer. Der Doktor hatte Zeit gefunden, ihr ins Ohr zu flüstern, daß der Zustand des Kranken hoffnungslos sei.
    Sie richtete ihre Augen auf Bazaroff und blieb an der Tür stehen, einen solch schrecklichen Eindruck machte auf sie das gerötete, obgleich schon sterbende Gesicht, diese irren Augen, die sie starr ansahen. Sie fühlte sich von einer eisigen Kälte und von einer erdrückenden Angst ergriffen; der Gedanke, daß sie etwas ganz anderes fühlen würde, wenn sie ihn wirklich geliebt hätte, durchzuckte sie.
    »Danke!« sagte er mit Anstrengung, »ich hoffte es nicht. Das ist eine gute Handlung. Wir sehen uns noch einmal wieder, wie Sie es mir vorhergesagt haben.«
    »Anna Sergejewna hat die Güte gehabt …«
    »Mein Vater, laß uns allein … Anna Sergejewna, Sie erlauben es? ich glaube, daß jetzt …«
    Sie nickte mit dem Kopfe, als ob sie sagen wollte, daß sie von einem Sterbenden nichts zu fürchten habe.
    Wassili Iwanowitsch verließ das Zimmer.
    »Nun! ich danke!« wiederholte Bazaroff, »das ist wahrhaft königlich. Man sagt, die Könige begeben sich so an das Lager der Sterbenden.«
    »Eugen Wassiliewitsch, ich hoffe …«
    »Nein, Anna Sergejewna, wir wollen uns nicht täuschen; für mich ist alles aus. Ich bin unter das Rad gefallen. Sehen Sie wohl, daß ich recht hatte, mich nicht im voraus mit der Zukunft zu beschäftigen. Das Sterben ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu für jeden. Bis jetzt habe ich keine Angst … Dann werde ich das Bewußtsein verlieren, und ft (dabei machte er ein leichtes Zeichen mit der Hand). – Aber was könnte ich Ihnen noch sagen? … daß ich Sie geliebt habe? Das hatte früher keinen Sinn, und jetzt weniger als je. Die Liebe ist eine Form, und meine eigene Form ist in der Auflösung begriffen. Ich will Ihnen lieber sagen … wie schön Sie sind! So, wie ich Sie da vor mir sehe …«
    Anna Sergejewna zitterte unwillkürlich.
    »Es ist nichts, beunruhigen Sie sich nicht … nehmen Sie da unten Platz … nähern Sie sich mir nicht; die Krankheit, die ich habe, ist ansteckend.«
    Anna Sergejewna durchschritt das Zimmer rasch, um sich ihm zu nähern, und setzte sich in einen Lehnstuhl neben dem Ruhebett.
    »Welche Großmut!« sagte Bazaroff halblaut; »wie nah sie ist! so jung, so frisch, so rein in diesem garstigen Zimmer! … Nun, leben Sie wohl, leben Sie lange, es ist das beste, was man tun kann, und genießen Sie das Leben, solang es nicht zu spät ist. Sehen Sie, welch häßliches Schauspiel: ein halbzertretener Wurm, der sich noch krümmt! Ich glaubte sicher, noch vieles zu leisten; sterben, ich? ah! bah! ich habe eine Mission, ich bin ein Riese! Und zu dieser Stunde besteht die ganze Mission des Riesen darin, mit Anstand zu sterben, obgleich das keinen Menschen interessiert … Was liegt daran, ich will nicht kuschen wie ein Hund.«
    Bazaroff schwieg und suchte mit der Hand nach seinem Glas. Anna Sergejewna gab ihm zu trinken, ohne die Handschuhe abzuziehen, und mit verhaltenem Atem.
    »Sie werden mich vergessen,« fuhr er fort; »die Toten sind nichts mehr für die Lebenden. Mein Vater wird Ihnen sagen, daß Rußland einen Mann verliert, der sehr kostbar für dasselbe war! … Das sind Prahlereien, doch lassen Sie dem Greise diese Illusionen … Sie wissen … für ein Kind ist jeder Zeitvertreib recht … Trösten Sie ihn und auch meine Mutter. In Ihrer großen Welt werden Sie dergleichen Leute nicht finden, und wenn Sie mit der Laterne in der Hand suchten … Ich für Rußland notwendig! … Nein, es scheint nicht! Wer ist ihm denn notwendig? Ein Schuster ist ein notwendiger Mensch, ein Schneider ist notwendig, ein Metzger … er verkauft Fleisch … ein Metzger … Halt! ich verwirre mich … Hier ist ein Brett …« Bazaroff legte die Hand auf die Stirn.
    Frau Odinzoff neigte sich zu ihm herab.
    »Eugen Wassiliewitsch, ich bin noch immer da …«
    Er zog die Hand zurück und richtete sich mit einmal auf.
    »Leben Sie wohl!« sagte er mit plötzlichem Nachdruck, und seine Augen glänzten zum letztenmal. »Leben Sie wohl! … hören Sie … ich habe Sie an jenem Tage nicht geküßt … blasen Sie die sterbende Lampe aus, und sie erlösche
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