Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
Vom Netzwerk:
den Garten und stand dort wie eine Bildsäule; er schien von einem unsäglichen Staunen erfaßt (der Ausdruck der Überraschung verschwand kaum von seinem Gesicht). Dann kehrte er zu seinem Sohn zurück, wobei er seiner Frau auszuweichen suchte. Dieser gelang es endlich, ihn bei der Hand zu erwischen, und krampfhaft, fast mit drohendem Tone fragte sie ihn: »Was hat er denn?« Um sie zu beruhigen, versuchte Wassili Iwanowitsch zu lächeln, aber zu seiner eigenen Verwunderung entfuhr ein lautes Lachen seinem Munde. Schon am Morgen hatte er nach einem Arzt in die Stadt geschickt; er hielt es für besser, seinen Sohn davon zu benachrichtigen, damit dieser ihm in Gegenwart seines Kollegen keine Vorwürfe mache.
    Bazaroff drehte sich auf dem Diwan, wo er lag, plötzlich um, sah seinen Vater starr an und verlangte zu trinken.
    Wassili Iwanowitsch gab ihm Wasser und benützte diesen Augenblick, um ihm die Hand auf die Stirne zu legen: sie war brennend heiß.
    »Alter,« sagte Bazaroff langsam und mit rauher Stimme, »das nimmt eine böse Wendung. Ich habe das Gift im Leibe, und in wenigen Tagen wirst du mich in die Erde legen.«
    Wassili Iwanowitsch schwankte, als ob er einen heftigen Schlag in die Beine bekommen hätte.
    »Eugen,« stammelte er, »was sagst du da! Es ist eine einfache Erkältung.«
    »Geh doch,« versetzte Bazaroff, »ein Arzt darf so was nicht sagen. Ich habe alle Symptome einer Ansteckung, du weißt es wohl.«
    »Symptome … einer Ansteckung? … o nein … Eugen!«
    »Was ist denn das?« sagte Bazaroff und zeigte, den Ärmel seines Hemdes zurückstreifend, seinem Vater die unheilverkündenden rötlichen Flecken, welche seine Haut bedeckten.
    Wassili Iwanowitsch erbleichte vor Schrecken.
    »Gesetzt … wenn auch … das wäre … etwas … wie eine … epidemische Ansteckung.«
    »Es ist eine Pyohämie,« sagte sein Sohn.
    »Ja … eine epidemische Ansteckung.«
    »Eine Pyohämie,« wiederholte Bazaroff bestimmt und in rauhem Ton; »hast du deine Kollegienhefte vergessen?«
    »Nun ja, ich gebs zu … ich gebs zu … aber gleich wohl werden wir dich kurieren.«
    »Alles Redensarten! laß uns vernünftig reden; ich dachte nicht, so früh zu sterben, das ist ein Unfall, der, ich gestehe es, mir ziemlich unangenehm scheint. Meine Mutter und du, ihr werdet wohl tun, eure Zuflucht zu eurem religiösen Glauben zu nehmen, es ist eine schöne Gelegenheit, ihn auf die Probe zu stellen.« – Er trank einen Schluck Wasser. – »Ich muß dich um etwas bitten, solang mein Kopf noch klar ist. Morgen oder übermorgen wird, wie du schon weißt, mein Gehirn seine Entlassung gegeben haben. Es ist sogar möglich, daß ich mich jetzt schon nicht mehr ganz deutlich ausdrücke. Eben noch glaubte ich mich von roten Hunden verfolgt, und du lauertest auf mich auf dem Anstand, wie man auf einen Birkhahn paßt. Ich komme mir vor wie betrunken. Verstehst du mich recht?«
    »Gewiß, Eugen, du sprichst ganz vernünftig, wie gewöhnlich.«
    »Um so besser, du hast mir gesagt, daß du nach einem Arzt geschickt hast … ich habe dich nicht abgehalten, dir diese Beruhigung zu verschaffen … verschaff mir deinerseits auch eine, schicke einen Expressen …«
    »An Arkad Nikolajewitsch,« fiel der Greis rasch ein.
    »Wer ist dieser Arkad Nikolajewitsch?« entgegnete Bazaroff wie in einem Augenblick von Geistesabwesenheit … »ach ja … dieser Zeisig! Nein, laß den in Ruhe, er hat sich jetzt in einen Raben verwandelt. Mach keine so großen Augen, das ist noch nicht das Delirium. Schick einen Expressen an Anna Sergejewna Odinzoff; es ist eine Gutsbesitzerin in der Umgegend. (Wassili machte ein Zeichen mit dem Kopf, daß er sie kenne.) Laß ihr sagen: Eugen Bazaroff grüßt Sie und läßt Ihnen melden, daß er stirbt. Verstehst du mich?«
    »Es soll geschehen … aber wie kannst du sterben? Du, Eugen! Urteile selber! … Wo wäre da noch eine Gerechtigkeit auf der Welt?«
    »Das verstehe ich nicht; aber schick den Expressen fort.«
    »Auf der Stelle, und ich will ihm einen Brief mitgeben.«
    »Nein; das ist unnötig. Laß sie von mir grüßen, dies genügt. Und jetzt will ich wieder zu meinen roten Hunden zurückkehren. Das ist sonderbar! ich wollte meine Gedanken auf den Tod richten, aber es will mir nicht gelingen, ich sehe eine Art Flecken … und weiter nichts.«
    Er kehrte sich mühsam gegen die Wand, und Wassili Iwanowitsch verließ das Kabinett. Im Zimmer seiner Frau angekommen, fiel er vor den Heiligenbildern auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher