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Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Titel: Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
Autoren: Bree Despain
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hatte. Schließlich kam Daniel die rettende Idee.
    »Jude ist durch den Angriff eines Wolfs gestorben«, hatte Daniel gesagt. »Wir sagen, dass wir an der Wolfsjagd teilgenommen haben, um die Zehntausend-Dollar-Prämie zu kassieren. Doch dann hat uns der Wolf angefallen, und Jude hat sich auf den Wolf gestürzt, um mein Leben zu retten. Er hat ihn getötet, wurde aber dabei von seiner eigenen Waffe tödlich verletzt. Und zum Beweis bringen wir Judes Leiche und die Überreste eines der Wölfe in die Stadt. Alle werden erfahren, dass er gestorben ist, um mein Leben zu retten. Und genau das sollten auch alle erfahren.«
    Der Sheriff hatte uns die Geschichte abgekauft. Da Jude uns alle vor dem schrecklichen Wolf gerettet hatte, erklärte der Bürgermeister Jude zum Helden der Stadt und sprach das Kopfgeld meiner Familie zu. In Judes Namen spendete Dad die Summe für das Obdachlosenasyl. Und weil Jude sich geopfert hatte, war die ganze Stadt für die heutige Trauerfeier hergekommen. Wieder und wieder hatte ich vor der Menge aus Nachbarn, Gemeindemitgliedern und sogar ein paar vereinzelten Werwölfen mit Superkräften gestanden und erklären müssen, wie Jude gestorben war. Sie alle waren gekommen, um Jude die letzte Ehre zu erweisen.
    Eigentlich hätten wir heute Judes neunzehnten Geburtstag feiern wollen, doch stattdessen hielten wir seine Totenwache.
    Ich war hinausgegangen, um ein paar Minuten Luft zu schöpfen. Jetzt hatte ich die Lügengeschichte so oft wiederholt, dass ich beinahe anfing, selbst daran zu glauben. Aber ich wollte die Wahrheit unter keinen Umständen vergessen. Ich wollte, dass mich dieser Schmerz, zusammen mit der eiskalten Luft hier draußen, wach und lebendig hielt.
    Ein Teil von mir hatte gehofft, dass er wieder ins Leben zurückkehren würde, so wie Daniel, als ich ihn im letzten Jahr vom Fluch des Wolfs befreit hatte. Aber ich wusste, dass das nicht geschehen würde. Denn als ich Jude getötet hatte, hatte ich nicht dasselbe geopfert wie für Daniel. Als ich den Speer in Judes Herz gestoßen hatte, wusste ich, dass ich nicht meine Seele opfern konnte, um ihn zu retten. Was ich getan hatte, konnte zwar seine Seele retten, war aber nicht genug, um ihn ins Leben zurückzubringen.
    Und offen gestanden fragte ich mich, ob es so nicht besser war.
    Oder ob es nicht zumindest das war, was Jude gewollt hatte.
    Die Worte, die er mit den Lippen geformt hatte, bevor ich ihn zu heilen versuchte, und die auszusprechen er nicht die Kraft hatte, hallten noch immer in meinem Kopf wider, auch wenn sie lautlos gewesen waren. »Lass mich gehen«, hatte er versucht zu sagen und mich dabei flehend angesehen. »Lass mich gehen. Es ist besser …«
    Jude hatte sich keine eigene Zukunft vorstellen können. Und als Märtyrer zu sterben – und sich selbst für Daniel und mich zu opfern – war für ihn vielleicht der einfachste Ausweg gewesen …
    Ich schüttelte den Kopf. Für alle anderen war Jude als Held gestorben. Ich würde seine letzten Worte für mich behalten. Niemand brauchte sie je zu erfahren.
    Hinter mir hörte ich plötzlich die Verandastufen knarren. Ich schaute auf und sah jemanden in einem schwarzen Etuikleid mit pink-orange Strumpfhosen vor mir stehen. Sie hielt ein kleines, hübsch eingewickeltes Päckchen in der Hand. Ich kniff ein paar Mal die Augen zusammen und fragte mich, ob ich träumte.
    »Hallo«, sagte Katie Summers.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Ich habe deinen Bruder zwar nicht gekannt, wollte dir aber trotzdem sagen, wie leid es mir tut.«
    Ich nickte und wischte mir ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. »Danke.«
    »Ich habe gehört, was er für Daniel getan hat …«, setzte sie an.
    »Ja. Ein angreifender Wolf«, erwiderte ich seufzend. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich wie alle anderen gern die offizielle Version einer Augenzeugin hören wollte.
    Aber Katie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß, was wirklich geschehen ist. Mach dir keine Gedanken, du musst mich nicht mehr anlügen.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Slade hat mir alles erzählt. Und ich weiß, was ihr alle auf dieser schrecklichen Party für mich getan habt. Ich fürchte, Slade und Brent konnten die Geschichte von den K.o.-Tropfen in meinem Drink nicht ganz überzeugend rüberbringen.« Sie lächelte. »Also danke, dass ihr mir das Leben gerettet habt. Du bist echt ganz schön cool, weißt du das?«
    Ich musste lachen.
    Sie tippte mit ihren pink-orange Fingernägeln auf das Geschenk. Soweit ich es erkennen konnte, war das
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