Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Titel: Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
Autoren: Bree Despain
Vom Netzwerk:
rasender Geschwindigkeit auf Daniels Brust zu.
    Meine Hände waren mit Daniels Robe beschäftigt. Ich konnte nicht schnell genug reagieren. Aber Jude. Er schrie auf und warf sich mit seinem ganzen Körper vor Daniel. Sein Schrei erstarb, als der Speer in seine Brust eintrat und auf dem Rücken wieder herauskam. Mit einem ausgestreckten Arm landete er auf der Seite. Seine andere Hand lag kraftlos über dem Schaft des Speers.
    Ich befreite meine Hände, ließ Daniel los und kroch zu Jude. Als ich aufblickte, sah ich Talbot, der auf seinem verletzten Bein in Richtung des Maisfelds davonhinkte. Die Ringwächter ließen ihn passieren und befolgten damit die Regeln der Zeremonie, die, technisch gesehen, noch nicht beendet war. Als ich den Kopf abwandte, sah ich im Augenwinkel, dass jemand in einer grünen Robe Talbot folgte.
    »Jude!«, sagte ich und richtete die Aufmerksamkeit auf meinen Bruder.
    Seine flehenden Augen blickten mich an. Mit schwacher Kraft umfasste er den Speer. Die große Menge Blut, die aus seiner Brust herausgepumpt wurde, bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen – mindestens eines seiner Herzen war durchbohrt worden.
    Von einem Speer mit einer silbernen Spitze.
    Eines der wenigen Dinge, die einen Urbat töten konnten.
    »Jude! Nein!«
    Er hatte reagiert, bevor ich es gekonnt hatte. Er hatte sich zwischen Daniel und den Speer geworfen. Und Daniel das Leben gerettet.
    »Gracie«, sagte er. »Bitte.« Er versuchte, seine Hand auf meine zu legen. Seine folgenden Worte waren lautlos, aber er formte sie mit den Lippen und sah mich dabei flehend an.
    Ich schüttelte den Kopf und zog ihn in meine Arme. Sein Kopf kippte zur Seite und seine Pupillen rollten unter die Augenlider. Ich fühlte seinen Puls. Er war bewusstlos, aber nicht tot. Noch nicht. Der Puls war kaum spürbar. »Halte durch, Jude. Du wirst wieder gesund. Alles wird gut.« Ich drehte mich zu Daniel, der jetzt neben mir kniete. »Ich hab’s ihm versprochen. Ich hab versprochen, dass alles gut wird. Wir müssen irgendetwas tun. Wir müssen ihn heilen.«
    Ich brach den Schaft des Speers entzwei und zog die vordere Hälfte aus Judes Rücken. Dann legte ich ihn auf den Boden und presste meine Hände auf die Wunde in seiner Brust. Das Blut quoll unter meinen Fingern hervor, während ich verzweifelt versuchte, jedes erdenkliche Quäntchen an positiver Energie auf Jude zu übertragen.
    »Hilf mir«, sagte ich zu Daniel. »Hilf mir. Ich kann das nicht allein tun.«
    »Gracie, du kannst das nicht«, sagte Daniel und fasste nach meinen Armen. »Du kannst keine Wunden heilen, die durch Silber verursacht wurden.«
    »Aber wir könnten es doch versuchen«, rief ich und wollte nicht zulassen, dass er meine blutverschmierten Hände nahm und von Jude wegzog. »Hilf mir, verflucht noch mal! Wir haben versprochen, ihm zu helfen.«
    Daniel ließ meine Arme los und legte seine Hände auf meine.
    Mir liefen Tränen übers Gesicht, aber ich versuchte mich zu konzentrieren. Ich dachte an jeden schönen Moment, den ich mit meinem Bruder geteilt hatte. Wie wir im Wohnzimmer die Ewok-Forts aus der Star-Wars-Serie nachgebaut hatten, auf Bäume geklettert waren oder neben Großvater Kramers Teich mit unseren Angelruten auf einem Felsen gesessen hatten. Die Energie strömte in meine Fingerspitzen, aber es war noch nicht genug. Meine Gedanken kreisten um eine weitere Erinnerung. Ich dachte an den Augenblick, als Daniel und ich Jude in seiner Zelle in der Pfarrkirche in unseren Armen gehalten hatten. Wie es sich angefühlt hatte, dass er unsere Hilfe annehmen wollte. Wie es sich angefühlt hatte, dass mein Bruder endlich nach Hause kommen sollte.
    Die Energie floss von meinen Fingern in seinen Körper. Der Kraftstoß war so heftig, dass ich zurückgestoßen wurde. Ich setzte mich wieder auf und sah Jude an. Noch immer lag er da mit einer klaffenden, blutenden Wunde in seiner Brust.
    »Es ist nicht genug«, sagte Daniel. »Du kannst gegen das Silber nichts ausrichten. Du kannst ihn nicht retten.«
    Judes Augen öffneten sich. Er streckte zwei Finger nach mir aus, konnte seine Hand aber nicht heben.
    Ich streichelte Judes Gesicht. »Kannst du mich hören? Kannst du versuchen, dich in den Wolf zu verwandeln?«
    Jude wollte etwas sagen, hatte aber nicht die Kraft dazu. Kaum merklich nickte er.
    »Dann wird es reichen«, sagte ich zu Daniel.
    Judes Körper begann zu zittern und verkrampfte sich, als er die Verwandlung vollziehen wollte. Ich legte meine Hände auf seine Brust.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher