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Unwiderstehlich untot

Unwiderstehlich untot

Titel: Unwiderstehlich untot
Autoren: Karen Chance
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sie noch immer mit dem Nachladen beschäftigt war und mich nicht umbringen konnte. Etwas bei der Treppe weckte meine Aufmerksamkeit. Das matte Licht der Taschenlampe erreichte dort den Lauf einer Halbautomatik, der plötzlich aus dem Dunkeln ragte. Das war ein Problem, da wir uns derzeit im Jahr 16o5 befanden und solche Waffen noch gar nicht erfunden waren.
    Schlimmer noch, der Lauf richtete sich auf den Kopf der Frau.
    »Hinter dir!«
    Sie zögerte nicht. Die Taschenlampe klapperte über den Boden und lenkte den Schützen ab, der darauf schoss, und die Frau nutzte die Gelegenheit, in den Schatten zu verschwinden. Eine der Kugeln surrte als Querschläger durch den Keller und traf eine kleine Holztonne. Das Ding sah harmlos aus, aber offenbar enthielt es das Äquivalent von einigen Stangen Dynamit. Eine Explosion krachte, und orangerote Flammen fauchten zur Decke hoch.
    Überall regnete es Feuer, auch auf Hand und Arm des Schützen. Die Waffe fiel auf den Boden, und ein Mann tanzte aus dem Treppenhaus, schlug mit bloßen Händen nach den Flammen und schrie. Er ließ eine Laterne fallen, die sich träge auf dem Boden drehte und deren Licht stroboskopartig über ihn strich.
    Der Bursche war groß, schlank und blond, und sein Gesicht blieb halb unter einem Schlapphut verborgen. Er trug eine lange dunkle Weste, eine Kniehose und ein bauschiges Hemd, von dem immer mehr Rauch aufstieg. Schließlich gewann er den Kampf gegen die Flammen, als er den Rest der Weste abschüttelte und sich das Hemd aufriss, unter dem eine bleiche Brust mit angesengtem Haar zum Vorschein kam. Er bückte sich nach seiner Waffe, und eine Kugel kostete ihn noch etwas mehr Haar, diesmal am Kopf.
    Er nahm den Hut ab, starrte auf das Loch darin und schien sich zu fragen, woher es stammte. Die Frau zeigte es ihm, indem sie erneut schoss, aber offenbar war er ein Magier, denn er hob rechtzeitig seinen Schild. Die Kugeln trafen darauf und blieben mitten in der Luft hängen, etwa einen Meter von ihm entfernt schwebten sie wie Regentropfen aus Blei. Der Typ starrte auf eine, die ihn direkt zwischen den Augen erwischte hätte, und schrie entsetzt.
    Er machte nicht unbedingt den Eindruck, an Schießereien gewöhnt zu sein, denn seine Konzentration ließ nach, und damit löste sich der Schild auf. Die Kugeln fielen mit lautem Klimpern zu Boden. Der Mann hob mit zitternden Händen seine Waffe auf und gab einige ungezielte Schüsse in unsere Richtung ab, bevor er durch eine Tür neben der Treppe wankte. Er hörte die ganze Zeit nicht auf zu schreien.
    Die Frau trat einige brennende Holzstücke beiseite und erschien im schwachen Licht der Laterne. Sie nahm ihre Taschenlampe vom Boden und drückte einige Male den Schalter, aber nichts geschah. Daraufhin seufzte sie und steckte das Ding in eine Tasche ihres Mantels, der aus kamelbrauner Wolle bestand und recht warm aussah, wie ich neidisch feststellte. Darunter trug sie ein lavendelblaues Seidenkleid mit übereinander gelegtem Oberteil und wadenlangem Glockenrock. Sie sah aus wie June Cleaver, die beschlossen hatte, den Abend in der Stadt zu verbringen – nur die Knarre passte nicht recht ins Bild.
    Zum ersten Mal sah ich sie ganz deutlich, und ich brauchte ein oder zwei Sekunden, um meine Vorstellung von ihr zurechtzurücken. Unser letztes Treffen hatte ebenfalls während eines Zeitsprungs stattgefunden, aber sie war dabei nur geistig unterwegs gewesen, nicht mit dem Körper, und hatte das Erscheinungsbild einer jungen Frau gewählt. In ihrer tatsächlichen Gestalt sah sie gar nicht so viel anders aus. Graue Strähnen durchzogen ihr braunes Haar, und Fältchen zeigten sich in Augen-und Mundwinkeln. Doch ihr Körper war noch immer schlank, und der derzeitige Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Arger und Erheiterung – wirkte gespenstisch vertraut.
    »Zeig dich«, sagte die Frau. »Ich tue dir nichts.«
    »Wie bitte?«, fragte ich nervös.
    »Du versteckst dich hinter einem Fass mit Schießpulver. Wenn ich dich töten wollte, bräuchte ich nur darauf zu schießen«, sagte sie, und ich glaubte, ein Du Dummkopf in ihren Worten zu hören.
    Sie tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden und hatte ihre Waffe gesenkt. Was nicht viel bedeuten musste, aber die Wahrheit lautete: Ich war nicht hierhergekommen, um mich in der Dunkelheit zu verstecken. So verlockend das auch sein mochte. Außerdem hielt ich das mit dem Schießpulver nicht für einen Scherz.
    Langsam richtete ich mich auf. »Wo habe ich dich
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