Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Untot | Sie sind zurück und hungrig

Untot | Sie sind zurück und hungrig

Titel: Untot | Sie sind zurück und hungrig
Autoren: Kirsty McKay
Vom Netzwerk:
bisschen, als ich ihn an mich ziehe; ich genieße die Umarmung und spüre, wie sich sein Gesicht dem meinen nähert. Ich versuche, die Augen zu öffnen, weil ich ihn ansehen möchte, aber sie wollen nicht aufgehen. Lippen treffen aufeinander und wir küssen uns, intensiv. Alles andere ist egal, da ist nur noch dieser Kuss. Smitty rollt sich auf mich drauf und ich lasse es zu; sein Gewicht erregt mich und macht mich auch ein bisschen ängstlich. Der Kuss wird leidenschaftlicher, drängender, und ich gebe mich ihm hin, während mich eine Hitzewelle durchläuft. Ich greife nach seinen Haaren, weil ich sie anfassen möchte, öffne meinen Mund und seine Zunge schiebt sich gegen meine. Ich komme mir ganz unanständig vor. Ein herrliches Gefühl. Das pure Glück.
    Und dann schiebt sich seine Zunge noch weiter vor, füllt meinen Mund aus und bevor ich es begreife, bin ich am Würgen. Ich kriege keine Luft mehr und versuche ihn von mir herunterzustoßen, versuche zu schreien, aber er liegt schwer auf mir drauf und drückt mir den Brustkorb zusammen und seine Hände, die eben noch sanft und liebevoll waren, sind jetzt Klauen, die an meinem Fleisch zerren.
    Zack, sind meine Augen offen. Ein ausgeblichener weißer Schädel starrt mich irre an und das Büschel schwarzer Haare, an dem ich reiße, bleibt in meiner Hand zurück. Mahlende Zähne senken sich in meine Wange und Schmerzen explodieren in meinem Gesicht.
    Er ist untot. Genau wie ich gleich.
    Die Sirenen kreischen immer noch, als ich keuchend wieder in der Realität auftauche, mit verklebten Augen und einer getrockneten Spuckespur am Mundwinkel.
    Mum. Mum ist tot und ich habe perverse Sexträume mit Smitty.
    Ich glaub das nicht, dass sie tot ist. Ich will es nicht glauben. Sie hat doch immer einen Plan. Und Sterben ist darin nicht vorgesehen.
    Ich reibe mir das Gesicht, um die Schuldgefühle zu vertreiben sowie noch etwas anderes, das leicht zu bodenloser Trauer ausufern könnte, dann setze ich mich mühsam auf und rupfe mir den verfluchten Schlaf-schön-Schlauch aus dem Handrücken. Ich massiere die Einstichstelle – heile, heile Gänschen. Mit zusammengebissenen Zähnen schwinge ich die Beine aus dem Bett und wackele mit den Zehen. Und dann spüre ich es: ein Brennen zwischen den Beinen.
    O. Mein. Gott.
    Noch ein Schlauch. Und der führt genau dahin, wo kein Schlauch je sein sollte. Ich schiebe die unverletzte Hand unter die Bettdecke, ertaste Heftpflasterstreifen und bevor ich noch über Schmerzen und Konsequenzen nachdenken kann, habe ich den Schlauch auch schon herausgezogen und schleudere ihn beiseite wie etwas, das in Flammen steht.
    Denk an Mum. Bekämpfe Schmerz mit Schmerz.
    Blassgelbe Flüssigkeit rieselt aus dem Schlauch. Voll der Horror. Seitlich am Bett hängt ein Urinbeutel, der sich jetzt in einer Pfütze des Grauens auf den Fußboden entleert.
    Au, au, au.
    Das muss das schlimmste Aufwachen meines Lebens sein. Und glaubt mir, da gab es schon einige schlimme.
    Ich rette den Beutel mit meinen Sachen vor dem Nasswerden und ziehe mich so schnell an, wie ich kann: Unterwäsche, T-Shirt und Fleecepulli, Socken und Stiefel. Keine Hose; vorläufig muss ich also mit nackten Beinen herumlaufen. Ich schiebe das Handy in den einen Stiefelschaft, trete vorsichtig um den Pipisee herum und gehe auf Zehenspitzen zur Tür. Ich drücke die Klinke herunter, aber denkste. Abgeschlossen, war ja klar. Ich lege ein Ohr an das Holz und lausche. Rufe? Schreie? Erleichtertes Gelächter? Alles, was ich hören kann, ist das Heulen von Sirenen.
    Und dann verstummen sie.
    Ich federe von der Tür weg.
    Stille.
    Gleich wird jemand kommen. Bestimmt. Es war alles bloß falscher Alarm und gleich kommen sie und beruhigen mich.
    Tun sie aber nicht.
    Die Stille ist viiiel schlimmer.
    Während ich da herumstehe, sticht mir ein Klemmbrett auf dem Sideboard bei der Tür ins Auge. »Roberta Brook« steht oben auf einem linierten Blatt Papier und in jeder Zeile sind handschriftlich Daten, Uhrzeiten und geheimnisvolle Zahlen eingetragen. Ich nehme das Brett und überfliege die Notizen. Irgendwelches Zeug, das ich unmöglich verstehen kann, nicht bloß weil es Medizinersprache mit jeder Menge Abkürzungen ist, sondern auch weil ich die Handschrift nicht entziffern kann. Das überrascht mich nicht; Mum ist Ärztin und ihre Handschrift sieht aus wie irgendwas, das eine empörte Henne in den Sand gescharrt hat.
    Mum. Nein, nicht dran denken.
    Ich zwinge mich dazu, weiterzulesen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher