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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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guten Lagerung hat der Whisky eine ausgezeichnete Temperatur. Außerdem muß ich an meinen Magen denken."
      Der Vampir verschwand, und der Doktor beugte sich über den Kasten. Liebevoll begann er, eine Schachfigur nach der anderen auf dem Brett aufzustellen. Er war stets von neuem fasziniert von der erlesenen Schönheit dieser seltenen Stücke. Herr von Grauenstein bemerkte dies immer wieder voller Rührung. Auch ihm wurde es warm ums Herz beim Betrachten der mit Silber verzierten Elfenbeinfiguren. Waren sie doch ein Erbe seines Ururgroßvaters väterlicherseits ...
      „In dieser traditionslosen Zeit sind es gerade diese Dinge, die uns an die Pflege gewisser Traditionen gemahnen. Wohl dem, der sie zu schätzen weiß."
      Versonnen stellte der Vampir ein soeben gefülltes Glas vor seinen Gast. Er selbst ergriff die dickbäuchige Flasche, schraubte die Blechhülse ab und führte sie zum leicht geöffneten Mund. Dann fletschte er die Zähne ...! – Madame ergriff atemlos die Hand des Geistlichen, und beide starrten gebannt auf das, was nun folgte ...! Der Untote hielt die Flasche schräg an seinen linken Vorderzahn. Dann holte er mit dem Kopf schwungvoll aus und bohrte gleich darauf den Zahn tief in den Gummipfropfen. Durch das so entstandene Loch schob er den Trinkhalm und sog genüßlich die Flüssigkeit ein. Stillose schmatzende Geräusche tönten über den stillen Kirchhof.
      „Köstlich, lieber Freund. Geradezu exquisit! Diesmal hatte ich doch tatsächlich das unschätzbare Glück, meine Lieblingsmarke zu erwischen. Blutgruppe AB positiv, gut durchgekühlt und ganz junger Jahrgang! Dies Blut ist wie Champagner! ... Wie schmeckt Ihnen der Whisky?"
      Auch der Doktor konnte nicht klagen. „Ausgezeichnet, lieber Herr von Grauenstein, aber sagen Sie, haben Sie immer noch diese Schwierigkeiten mit dem Beschaffen der Konserven?"
      Noch bevor der Vampir sein Klagelied anstimmen konnte, fiel dem Doktor eine jener Begebenheiten ein, die der Adelige stets so eindrucksvoll zu erzählen wußte. Er schmunzelte, als er sich daran erinnerte ...
      Es war eine jener besonders traurigen Nächte, an denen der „Vampir wider Willen" durch so gar nichts zu erheitern, geschweige denn abzulenken war. Der Tee, den er sich als Alternativgetränk bewahrte, hing ihm trotz aller vernünftigen Gegenargumente schon zum Hals heraus. Spannende Lektüre hatte er auch nicht mehr zur Hand, und so langweilte er sich entsetzlich. Und schließlich, sein guter Freund, der Doktor, hatte einen besonders stressigen Tag hinter sich und würde ihn an diesem Abend sicherlich nicht zu einer Partie Schach aufsuchen. Möglicherweise war er sogar zu einem Notfall unterwegs. Wie lange das dauern konnte, wußte er mittlerweile aus Erfahrung.
      Immer kürzer wurden die Abstände, da seine glutvollen Blicke über das friedlich schlafende Dorf wanderten. Sie verharrten in der Richtung, in der er das Krankenhaus wähnte, wo das für ihn so belebende Elixier wohlgeordnet und gekühlt in einem großen Schrank gelagert wurde. Wie lange würde er seine Schwäche noch bezwingen können?
      Verzweifelt stürzte er von Grabhügel zu Grabhügel, brabbelte die ihm längst bekannten Inschriften auswendig vor sich hin, addierte und multiplizierte, dividierte und subtrahierte die jeweiligen dazugehörenden Geburts-und Todesdaten: ständig in dem verzweifelten Bemühen, die entsetzlichste aller Suchtkrankheiten zu überwinden! Doch die Gier nach Blut in ihm wuchs unauf haltsam. Der Zeitpunkt war gekommen, da ihn nichts mehr zu halten vermochte. Mit wehendem Cape stürmte er den Hügel hinab, durch das schlafende Dorf hindurch, geradewegs ins Hospital.
      Der Weg zum Labor war bestens ausgeschildert, so daß er nicht einmal den schläfrigen Nachtportier bemühen mußte, was ihn gewiß der Notwendigkeit einiger peinlicher Erklärungen enthob. Er raste die Treppe hinauf in den 2. Stock, zwei bis drei Stufen auf einmal nehmend. Ein schwach erleuchteter Gang tat sich vor ihm auf.
      In seiner Gier achtete er jetzt nicht mehr auf die Beschilderung. Fatalerweise geriet er auf die Wöchnerinnenstation, was er jedoch sehr schnell erkannte, um noch schneller die Flucht zu ergreifen. In seiner verständlichen Hast verlief er sich schon wieder. In der glücklichen, wenn auch irrigen Annahme, endlich den Ausweg aus dem Labyrinth von Gängen gefunden zu haben, stürmte er durch zwei gläserne Flügeltüren und hätte beinahe eine adrett gekleidete junge Schwester
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