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Unterwirf dich

Unterwirf dich

Titel: Unterwirf dich
Autoren: Molly Weatherfield
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Sex war mir immer dumm und überflüssig vorgekommen. Aber du warst nicht dumm, und als ich dich beobachtete, begriff ich es. Ich konnte sehen, dass Sex wie eine Geschichte war – eine Geschichte, die sich langsam entwickelte, dich im Unklaren ließ und am Schluss vielleicht ein unerwartetes Ende hatte. Ich sah auch den Humor darin und die Ironie. Die unendlichen Umsetzungsmöglichkeiten, die endlosen Neudefinitionen und die Grenzen – na ja, ich denke, wenn du weißt, was du tust, dann kommst du vielleicht nie an deine Grenze …« Er verstummte, weil er vermutlich etwas sah, was ich nicht sehen konnte. Vielleicht war es eine komplizierte Kurve, die sich an zwei Achsen schmiegte, oder vielleicht war auch ich es, im Restaurant, in meinem Punk-Kleid.
    »Es war eine Erziehung«, fuhr er fort. »Seitdem habe ich jede Menge Pornos gelesen, aber sie haben mir nur bestätigt, was ich von dir an jenem Abend gelernt habe. Natürlich war das Problem dabei, dass ich mich auch in dich verliebt hatte. Es war wie ein Erkenntnisschub – ich meine, die erste Frau, in die ich mich je verliebt habe, war meine Mathelehrerin in der siebten Klasse.«
    Ich lachte, und er biss sich wieder auf die Lippe. Vermutlich staunte er selbst darüber, wie viel er mir gesagt hatte, ohne auch nur einmal Luft zu holen.
    »Und außerdem fand ich dich unglaublich schön«, fügte er leise hinzu.
    Ach, du liebe Güte. Was sollte ich mit diesem süßen Spinner nur anfangen? Er war wirklich nett, dachte ich. Und wenn du ein Jahr lang im Land von Sylvie und Stephanie gelebt hast, dann ist es angenehm zu hören, man sei »unglaublich schön«, auch wenn man weiß, dass es Quatsch ist.
    »Jedenfalls«, fuhr er fort, »als Constant dann ›Avignon, 15. März‹ sagte, klickten in meinem Kopf tausend neue Verbindungen. Ich habe diese Reise das ganze Jahr über geplant. Ich wollte mich den ganzen Tag lang auf die Place d’Horloge setzen und habe geglaubt, dich dann anschließend vergessen zu können. Ich habe nicht daran gedacht, dass wir im selben Zug sitzen könnten. Ich hatte noch nicht einmal angenommen, dass du wirklich dort sein würdest. Gestern Nacht hatte ich erst um zwei Uhr meine Arbeit beendet. Ich bin zum Bahnhof gelaufen mit der Überzeugung, dass ich dich wahrscheinlich verpasst hätte, und – mein Gott: Da standest du in der Schlange vor dem Ticketschalter. Ich stellte mich in der Schlange an. Als die Leute vor mir ihre Pläne änderten und fortgingen, stand ich plötzlich direkt hinter dir. Ich habe wirklich Angst gehabt, dir so nahe zu sein. Aber du hast mich gar nicht bemerkt, mich nicht erkannt. Außerdem warst du in die Lektüre von Clarissa vertieft. Ich hielt einfach nur den Atem an und … na ja, hier bin ich jetzt. Wahrscheinlich verkaufen sie die Tickets in der Reihenfolge der Sitze. Es tut mir leid, Carrie, wirklich. Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ich habe das ganze Jahr über an dich gedacht. Ich musste einfach kommen. Nach heute belästige ich dich nicht mehr. Bitte, glaub mir. Ich verspreche es.«
    »Ich glaube dir«, sagte ich. Er ist kein Spinner, dachte ich. Er hat nur seine Nerven ein bisschen zu dicht unter der Haut. Wie ich.
    »Warum hast du deinen Job im Restaurant beendet?«, fragte ich, als dächte ich, er wäre mir einen Fick schuldig.
    »Nun, ich musste Geld verdienen«, sagte er. »Das war nicht wirklich mein Job. Ich reiste nur ein bisschen durch die Gegend, machte Ferien und arbeitete illegal, bevor mein eigentlicher Job begann. Ich kenne die Leute in diesem Restaurant. Die Trinkgelder sind großartig, selbst wenn du nicht im Separee arbeitest. In jener Nacht jedoch hatten sie mich wirklich gebraucht, weil ein Kellner erkrankt war und ein anderer eine ernsthafte Krise mit seiner Freundin hatte. Er war so dankbar, dass ich seine Schicht übernehmen konnte. Jedenfalls arbeite ich mittlerweile fest in Paris in der Forschung. Kognitive Wissenschaften. Neuronale Netzwerke.«
    Kognitive Wissenschaften und neuronale Netzwerke, dachte ich. Und in seiner Freizeit hat er anscheinend ein tiefes Verständnis davon erarbeitet, wie ich sexuell ticke. Ganz schön clever. Nein, nicht nur clever. Echt klug. Ich blickte ihn eine Weile lang an. Abgesehen von Stuart natürlich war er der Erste, den ich wirklich anschaute, seitdem ich Mr. Constant verlassen hatte. Er sah ganz niedlich aus, dachte ich, wenn man den Typ mochte – was ich anscheinend tat. Männliche Schultern, Hüften und Oberschenkel in schwarzen Jeans,
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