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Unterwirf dich

Unterwirf dich

Titel: Unterwirf dich
Autoren: Molly Weatherfield
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und seine Nervosität war augenblicklich verschwunden. Sein Gesicht wirkte plötzlich selbstbewusst und bestimmend. Und das Mädchen – als reagierte es darauf – ging langsamer, als es näher kam, immer noch verletzlich, aber zunehmend bewusst und entschlossen in seinen Bewegungen. Die Frau spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, als ob sie heimlich durch ein Schlüsselloch gespäht hätte.
    Genug, schalt sie sich – genug von diesem Paar und dem leicht unschicklichen Spiel. Und als sie ihren Platz verließ, murmelte sie zu sich selbst (auf Englisch, denn sie liebte englische Filme): Fasten your seatbelts. It’s gonna be a bumpy ride.
    Der Mann lächelte anerkennend, als das Mädchen mit den Cowboystiefeln sich auf den Korbstuhl neben ihm setzte.
    »Na?«, sagte er.
    Sie kicherte ein bisschen. »Na?«
    Anscheinend fiel keinem von ihnen eine andere Eröffnung ein. Er drückte seine Zigarette aus, während sie ihre Sonnenbrille absetzte – sie hatte Schatten unter den grauen Augen – und ihr Notizbuch in ihren Rucksack steckte. Sie lächelten einander benommen und leicht ironisch an: Wie überwinden wir diesen lächerlichen Augenblick? Ein Kellner trat an den Tisch, und dankbar wandte sie sich an ihn. In fließendem Französisch bestellte sie sich einen Kir. Einen Kir und – ja, er nickte – noch einen Kaffee für Monsieur.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie gut du Französisch sprichst«, nahm Monsieur den Faden der neuen Einleitung auf. »Du hast als Kind hier gelebt, nicht wahr?«
    »Ja, hier ganz in der Nähe.« Sie nickte. »In Montpellier. Als ich zwölf war. Mit meiner Familie. Am Ende des Jahres wollte ich nicht wieder nach Hause. Ich habe eine Woche lang geweint und ungefähr ein Jahr lang geschmollt. Und ich war fest entschlossen, nicht ein einziges Wort Französisch zu vergessen. Und das habe ich auch tatsächlich nicht.«
    »Nun, die Jugend hat ihre eigene starke Energie«, sagte er. »Als ich ein Teenager war, ist Kate mit ihrer Familie für ein Jahr nach Venezuela gezogen. In der Zeit habe ich nur Einsen geschrieben, war Klassensprecher und Kapitän der Fußballmannschaft. Meine Eltern waren außer sich vor Freude. Ich habe sechsundsiebzig Modellflugzeuge aus Balsa-Holz gebaut. Und am Tag vor Kates Rückkehr habe ich sie alle verbrannt. Es war ein beeindruckendes Feuer. Und zwei Tage danach … habe ich … haben wir … na ja, es war unser erstes Mal.«
    Ihre Augen verdunkelten sich. Sturmwarnung. Er beobachtete sie. Sie muss sich daran gewöhnen, sich solche Dinge anzuhören, dachte er. Die Lust an ritueller Strenge durchflutete seinen Körper wie sehr starker Kaffee. Sie wich leicht zurück, richtete sich aber sofort wieder auf und atmete tief durch. Ein reuiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
    Sie zog eine Zigarette aus dem Päckchen auf dem Tisch und versuchte vergeblich, das Plastikfeuerzeug zu entzünden.
    »Hier«, sagte er und betätigte einen kleinen Hebel an der Seite des Feuerzeugs, »mittlerweile haben sie alle eine Kindersicherung.«
    »Aber du rauchst doch gar nicht«, fügte er vorwurfsvoll hinzu, als sie einen vorsichtigen Zug nahm.
    Sofort drückte sie die Zigarette aus. Die Asche flog über den Tisch.
    »Entschuldigung.« Sie lächelte schwach. »Ich bin nervös.«
    Geduldig und liebevoll antwortete er: »Wir sind beide nervös.« Lächelnd nickte er in Richtung des übervollen Aschenbechers, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. Eigentlich ist sie viel beherrschter, als ich gedacht habe. Weniger durchschaubar. Weniger kindlich. Und sie mustert mich ebenso genau wie ich sie. Langsamer, mahnte er sich.
    Laut sagte er zu ihr: »Ich habe uns fürs Mittagessen einen Tisch reserviert. Ein hübsches Restaurant. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch.« Er hatte ein gemütliches, nicht zu helles Lokal ausgesucht, um ihr zu sagen, was er von ihr wollte – sie muss es auch wollen. Und vollständig begreifen, was sie möglicherweise erwartet. Er hatte sich vorgestellt, wie sie an der gepolsterten Rückenlehne der Bank lehnte und ihm aufmerksam lauschte, während hochmütige Kellner kamen und gingen und ihnen großartiges Essen servierten. Ein formeller Ort für den großen Vertrag, der feindliche Übernahme und entente cordiale zugleich war. Er mochte es formell; wenn es möglich gewesen wäre, hätte er den Spiegelsaal von Versailles gemietet.
    Aber für Verträge muss man ein gewisses Maß an Konzentration aufbringen, und dazu war er nicht in der Stimmung. Er war neugierig
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