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Unterwirf dich

Unterwirf dich

Titel: Unterwirf dich
Autoren: Molly Weatherfield
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nur das Wetter, es war dieses Gesunde, Vollwertige, all das ohne Ecken und Kanten. Ich war wieder auf die Highschool in Indiana gegangen und hatte mir geschworen, dass dies auf keinen Fall mein Leben werden würde. Auch dann nicht, wenn ich mich wieder eingelebt, meinen Platz in der Schwimm-Mannschaft, in der Schauspielgruppe und bei Flötenwettbewerben wieder eingenommen hätte. Ich wollte wieder weg, gelobte ich mir. Wenn nicht zurück nach Frankreich, dann wenigstens nach Kalifornien. So hab ich es ja auch gemacht. Ich kam sogar weit über Kalifornien hinaus, wenn ich an meinen weiß verputzten Raum in den Klippen hoch über dem Meer dachte. So weit weg, dass ich vielleicht sogar ein oder zwei Thanksgiving-Dinner en famille überstehen konnte.
    »Und was würde ich dort in Urbana tun?«, fragte ich.
    »Meine Bibliothekskarte nutzen«, erwiderte er nüchtern. »Lesen und dir vorstellen, dass du wieder was mit Büchern machen kannst und mit den Dingen, die dich wirklich interessieren. Wahrscheinlich solltest du dich an der Uni einschreiben.«
    So wie er es sagte, klang es einfach. Vielleicht war es das auch, dachte ich. Die Sachen, die mich wirklich interessierten – hm …
    Alle Bücher lesen. Die große Dissertation über Sex und Frauen, Romantik und Pornografie schreiben. Natürlich musste es alles ein bisschen akademischer klingen, als es in Wirklichkeit war. Meine Geschichte erzählen, indem ich all diese anderen, hoch erotischen Geschichten erzählte, die irgendwie ihren Weg in die »Literatur« gefunden hatten. Es als distanzierten, gelehrten Diskurs verbrämen. Es überraschte mich selbst, als ich dachte, dass der Trend vielleicht vorbei sein könnte, bevor ich mit dem Buch fertig wäre. Und ich fragte mich, wo sich denn dieser karrierebesessene Zug von mir all die Jahre über versteckt hatte? Trotzdem würde es Spaß machen, daran zu arbeiten. Vielleicht schrieb mir ja sogar Arthur Geist ein Zitat für den Umschlag.
    Und Daniel? Nun, es war klar, dass wir miteinander reden konnten. Und auch in unserer sexuellen Fantasie teilten wir ein paar wichtige Räume. Er würde verblüffend unerfahren sein im Vergleich zu den Typen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammen gewesen war. Aber irgendwie war ich zuversichtlich, dass er auf einer alltäglichen Basis originell und abenteuerlustig sein würde. Vielleicht sogar ein bisschen mehr als das an den seltenen Wochenenden, wenn zumindest einer von uns nicht mit der Wissenschaft beschäftigt war. Ausgeh-Nacht für Nerds. Es erstaunte mich, dass ich überhaupt solche Gedanken hegte. Schließlich würde ich doch in weniger als einer Stunde Jonathan sehen.
    »Nun«, sagte ich, »danke für das Angebot.« Der Zug näherte sich Avignon.
    »Ich meine, das ist alles ein bisschen theoretisch, oder?«, fuhr ich fort. »Dieses Gerede über Zusammensein, meine ich.«
    Er blickte aus dem Fenster und verzog angesichts der nahenden Stadt das Gesicht. »Ja, vermutlich schon«, murmelte er. »Allerdings ist der Begriff ›theoretisch‹ nicht ganz präzise, obwohl du ihn wahrscheinlich so verwendest wie bei dir im englischen Institut.«
    »Ach so, ja«, erwiderte ich ärgerlich, »ja, klar, ihr Taschenprotektor-Typen benutzt ein Wort ja nie einfach nur so umgangssprachlich. Na toll, Daniel, wenn du anfängst, meine Ausdrucksweise zu korrigieren, dann kriegst du mich ganz bestimmt nicht ins Bett.«
    (Ich wünschte, ich könnte sagen, er hätte es sich ganz abgewöhnt, aber das stimmt nicht. Er tut es immer noch manchmal, wenn seine Freunde aus dem Labor uns besuchen kommen. Allerdings tut er es seltener als früher.)
    »Entschuldigung«, sagte er lächelnd und öffnete seine Jacke, um mir seine gänzlich ungeschützte Brusttasche zu zeigen.
    »Aber du gehst ja sowieso nicht mit mir ins Bett«, fuhr er fort. »Zumindest heute nicht und vielleicht niemals. Und du siehst ja, wie sehr mich das deprimiert. Ich meine, ich rede schrecklich gerne mit dir – höre das Licht und die Dunkelheit in deiner Stimme und sehe, wie lebhaft dein Gesicht wird, wenn du über Literatur redest. Aber wenn ich heute Nachmmittag oder Abend wieder zurück nach Paris fahre, werde ich mich fragen – das frage ich mich ja jetzt schon –, ob ich dein Angebot nicht besser angenommen und dich auf dem Klo gefickt hätte.
    Wahrscheinlich«, fügte er traurig hinzu, »bin ich wirklich der erste Amateur, dem du seit Langem begegnet bist.«
    Und damit war vielleicht tief in meinem Inneren alles schon entschieden,
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