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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte
Autoren: Hans-Christian Huf
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gebaut worden. Sie wurden Teil einer ausgedehnten, mehrere Meter starken Stadtmauer, die später dennoch – nach Lesart der Bibel – durch die viel beschworenen Posaunenstöße zum Einsturz gebracht wurde.
    Mit den ersten Städten der Erde und der seit dem sechsten Jahrtausend v. Chr. allmählich einsetzenden Entdeckung der Metalle, der um 3000 v. Chr. die Erfindung des Rades folgt, ist der Weg zu den Hochkulturen vorgezeichnet.



3. Blaues Wunder Babylon
    H aben Sie je von Babylon gehört? Der Stadt, die zum Knotenpunkt von Mythen, Wundern und Legenden wurde? Natürlich haben Sie schon von Babylon gehört. Oder zumindest von Babel, das ist der hebräische Name.
    Vielleicht ist Ihnen ja das Wort vom »Sündenbabel« begegnet, das auf eine Stätte moralischer Verworfenheit, der Ausschweifung und des Lasters verweist. Der Ausdruck geht auf die »große Hure Babylon« im 17. Kapitel der Offenbarung des Johannes zurück. Gern ist er auch auf Paris als »Seinebabel« umgemünzt worden.
    Auch vom »Turmbau zu Babel« haben Sie gewiss läuten hören, vielleicht sogar das berühmte Gemälde des flämischen Malers Pieter Brueghel vor Augen, der bei seiner Konzeption (um 1563) wiederum das Kolosseum in Rom vor Augen hatte. Dann dürften Sie vermutlich auch wissen, dass Gott die Erbauer des Turms, der bis in den Himmel reichen sollte, mit jenem berüchtigten »Kommunikationsabriss« bestrafte, der als »babylonische (Sprach-)Verwirrung« in das Alte Testament (1 . Mose11) und in die Zitatenlexika Eingang fand.
    Die ebenfalls sprichwörtliche Wendung von der »babylonischen Gefangenschaft« sparen wir uns noch ein wenig auf, bis wir zur Zerstörung Jerusalems (587 v. Chr.) und zur Deportation der Juden durch König Nebukadnezar II. kommen. Dann lässt sich auch der mythische Knall- und Schlusseffekt dieser historischen Epoche ausleuchten: das berüchtigte Gastmahl des Belsazar, dessen düstere Endzeit-Stimmung Heinrich Heine in einer der bekanntesten deutschen Balladen eingefangen hat: »Die Mitternacht zog näher schon; in stiller Ruh lag Babylon …«.
    Nach so vielen geflügelten Worten, nach so viel Babylon vom Hörensagen haben Sie sich einen visuellen Ausgleich verdient. Wir nehmen den prächtigsten und aussagekräftigsten, der sich denken lässt. Ihnen werden die Augen übergehen. Und die Reise ist kürzer, als Sie denken. Seit 1930 liegt Babylon in Berlin.
    Tiefblau glasierte Ziegel, die sich im Berliner Pergamon-Museum zum magischen Monument des Ischtar-Tors ergänzen, waren das Erste, was europäische Archäologen von der Metropole des Zweistromlandes wiederentdeckten. Das rief den deutschen Bauforscher Robert Koldewey (1855–1925) nach Mesopotamien. Er sorgte dafür, dass bis Ende der 1920er-Jahre 800 Kisten voll emaillierter Ziegelbrocken auf dem Seeweg von Basra nach Hamburg und weiter über Elbe, Havel und Spree nach Berlin geschickt wurden.
    Es war die Zeit, als George Gershwins »Rhapsody in Blue« ihren Siegeszug um die Welt antrat. Viele der Besucher, die den monumentalen Torbogen seit 1930 durchschritten haben, dürften die Komposition als unhörbare Begleitmusik im Kopf gehabt haben.
    Aber das Ischtar-Tor ist mehr als ein blaues Wunder. Es öffnet Ihre Sinne für eine untergegangene Welt und führt Sie wie ein »Sesam, öffne dich!« in jene Kernregion des Orients, die einst eine Drehscheibe der Geschichte war.
    Seit der Mitte des dritten vorchristlichen Jahrtausends dreht sich zwischen Euphrat und Tigris das Völkerkarussell und lässt unter Sargon von Akkad ein frühes (semitisches) Großreich entstehen, führt Assyrer, Hethiter, Kassiten, Chaldäer und schließlich Perser nach Babylon, wirbelt Mythen und Fakten durcheinander. Aber ohne den Schnee aus den Bergen Armeniens, der die Wüsten Babyloniens zum Blühen brachte, hätte es das Motivder unterschiedlichen Völker und Mächte, in dieser Region Fuß zu fassen, Hegemonie über die Nachbarn und Herrschaft über ganz Vorderasien zu gewinnen, gar nicht gegeben.
    Mit Ägypten teilt sich Mesopotamien die Würde der frühesten Hochkultur der Menschheit. Wie dort der Nil, so bestimmte hier das Zwillingspaar Euphrat und Tigris den Takt und die Frequenz des Lebens. Damals allerdings schnitt das Meer noch viel tiefer ins Land, und die Zwillingsflüsse hatten keine gemeinsame
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