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Unternehmen Wahnsinn

Unternehmen Wahnsinn

Titel: Unternehmen Wahnsinn
Autoren: Theresia Volk
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die Wut – einmal aufgebrochen –, gerade weil sie so kraftvoll und aggressiv ist, mehr leistet als Psy-
chohygiene: dass sie nämlich zu einer tiefen inneren Entschlossenheit führt.
    Die Situation, in der jemand in Wut gerät, lässt sich nicht mit einer der Varianten aus dem pragmatischen Dreierpack »love it, leave it or change it« handeln. Sie ist zumindest subjektiv so geartet, dass da zunächst einmal kein Ausweg, kein Hebel zur Veränderung und auch keine Bereitschaft ist, sich mit der Lage abzufinden und wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Der Punkt ist erreicht, da es zur Ent-Scheidung für den 4. Weg kommen kann, den Widerstandsweg. Widerstand ist als Allererstes die Verweigerung des Gehorsams. Der Wütende folgt ab jetzt seiner inneren Richtschnur, er wechselt von der offiziellen zu seiner ganz eigenen Agenda. Es geht ihm nicht mehr nur um Schmerzvermeidung, um Überleben, um Entrinnen und Ausweichen. Das könnte man noch keine »eigene Agenda« nennen, sondern nur die übliche Form, sich gegen Zumutungen und Belastungen zu schützen. Es entwickelt sich in ihm eine eigene, neue Zielvorstellung, die ein etabliertes System als belastend erkennt und attackiert. (Wie gesagt, immer vorausgesetzt, dass keiner der andern drei Wege als gangbar angesehen oder gewählt worden ist: sich arrangieren, verändern oder aussteigen).
    Formen des Widerstands
    Es gibt unterschiedliche Formen des Widerstands. Da ist jene, die auf Aufbau von Alternativen, auf Aushöhlung des Bestehenden durch Neuorientierung auf etwas Wichtigeres setzt. Auch sie beginnt mit einer Unterbrechung und klingt so: »Hört auf, die Rettung der Welt, der Finanzen, der Wirtschaft etc. von denen zu erwarten oder zu verlangen, die sich bisher dafür zuständig erklärt haben, oder an die Ihr es bisher bequem delegieren zu können meintet. Kümmert euch selber darum.« Bücher wie das vom »Ende der Welt, wie wir sie kannten« und der »Apo 2.0« 93 und andere beschreiben diesen Weg. Es geht nicht darum auszusteigen, sondern darum, seine berufliche und gesellschaftliche Stellung und sein gesamthaftes, nicht bloß monetäres Vermögen zu nutzen – eben für eine neue Agenda. Auf der stehen nicht mehr die alten Performance-Versprechen, Wachstum (wo auch immer) und Gewinn (wie auch immer), sondern inhaltlich definierte Zukunftsherausforderungen wie Rohstoffversorgung, Stadtentwicklung, Produktionsweisen, Wohnformen, Konsumverhalten, Wirtschaftsordnung, Erd-
entwicklung etc. Das Handbuch mit »Ideen für eine bessere
Zukunft« 94 beispielsweise umfasst Hunderte von Beiträgen internationaler Autoren mit Ansätzen und Initiativen zur Lösung zentraler sozialer Fragen. Es ermutigt zu neuen Denk- und Handlungsweisen – und man kann einfach schon jetzt damit beginnen. Gespeist werden sie alle aus dem Gefühl, dass »es« so einfach nicht mehr weitergehen kann, aus der Entschlossenheit, einen Kreislauf zu durchbrechen, den Systemgehorsam zu verweigern und fortan in ein anderes, lebensfreundlicheres System zu investieren.
    Die Subversion ist die andere Widerstandsform. Sie bevorzugt die Sabotage und Destabilisierung, die Zerstörung des Status quo. Der Furor jenes anarchistischen Pamphlets eines anonymen Autorenkollektivs 95 über den »Kommenden Aufstand« und mehr noch die enorm große Resonanz, auf die es gestoßen ist, seit es in seiner ersten Fassung 2007 in Frankreich erschienen und inzwischen vielfach übersetzt wurde, ist in diesem Zusammenhang irritierend und eindrucksvoll zugleich. Ungeachtet seines teils naiven Verständnisses vom Aufstand, den es anzuzetteln gilt, liefert es die faszinierende Beschreibung eines immer stärker werdenden, hochkochenden Wutgefühls. Es ist eine Wut, die sich nicht mehr durch Vernunft besänftigen zu lassen gedenkt und die sich extrem gut ausdrücken kann. Nicht rationale Analysen überzeugen hier, sondern der präzise, auf den Begriff gebrachte Affekt, der ansteckt wie das »explosiv (!) laute Auflachen«, mit dem die gängigen Verbesserungsrezepte quittiert werden: »Es geht nicht mehr darum zu warten – auf einen Lichtblick, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht das, was kommt, sondern das, was da ist«.
    Abgerechnet wird im »Kommenden Aufstand« zum Beispiel mit der Arbeit an sich: »Sie hat restlos über alle anderen Arten zu existieren triumphiert, genau in der Zeit, als der Arbeiter überflüssig geworden ist.« Oder mit
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