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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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Hühnerfond. Er ist kräftig geworden und duftet. In der jüdischen Küche heißt es, dass man mit einer ordentlichen Hühnersuppe sogar Tote wieder lebendig machen kann. Das wird mir, fürchte ich, doch nicht gelingen. Und trotzdem sind sie irgendwie bei uns, die gutgläubige Cordula von den Hildegard-Schwestern und der Wissenschaftler Schilling, der nicht genug kriegen konnte. Es war Knobloch, der Sam Miller gestoppt hat. Schuss in die Schulter. Inzwischen wissen wir auch, dass er Mediziner ist, spezialisiert auf Biogenetik. Sieht so aus, als hätte er für den „Sanoartis“-Konzern spioniert. Den drittgrößten Pharmakonzern der Welt. Natürlich will man ihm dort nie einen Auftrag gegeben haben. Selbstverständlich hat man ihn dort nie für illegale Informationen bezahlt. Sam Miller sei ein ehemaliger Mitarbeiter, man habe den Medizingenetiker aus disziplinären Gründen entlassen müssen, hat ein Konzernsprecher mitgeteilt. Details unterlägen der bei Forschungsprojekten üblichen Geheimhaltung. Knobloch und seine Leute sind noch am Ermitteln. Aber jedenfalls dürfte „Sanoartis“ ausreichend Druckmittel gegen Sam Miller haben. Er leugnet, für sie spioniert zu haben, er gibt an, er habe die Ergebnisse in den USA an den Meistbietenden verkaufen wollen. Die beiden Morde hat er gestanden. Kann gut sein, dass „Sanoartis“ ihm einen besonders guten Rechtsanwalt zahlen wird - vorausgesetzt, er hält weiter dicht. Klar ist, was es mit dem Lavendelduft in der Sauna auf sich hatte: Der „liebe Mensch“ Sam Miller ist wütend geworden, als ihm Schwester Cordula Fragen gestellt hat. Aber sie war schon zu nah dran. Also hat er so getan, als wolle er sich für sein schlechtes Benehmen entschuldigen. Er hat sie in den stillgelegten Wellnessbereich gebeten, um den Hildegard-Aufguss zu testen, hat ihr gesagt, er möchte, natürlich in allen Ehren, ausprobieren, wie er in der heißen Sauna rieche. Cordula hat ihm einmal zu oft vertraut. Er schwört, dass er sie betäubt hat, dass sie nicht hat leiden müssen.
    Die entbeinten Hühnerteile habe ich zur Seite gelegt. Es war Karl Simatschek, der die Hühner mitgebracht hat. Zwei stattliche steirische Exemplare, genau so, wie ich sie mir gewünscht habe. Keine blassen Zwerggrillvögel aus dem Supermarkt.
    „Wir brauchen nächste Flasche Rotwein“, sagt Vesna hinter mir. „Ist gut, und wenn wir schon nicht jünger werden dadurch, wir werden zumindest lustig.“
    Ich lächle. Fruchtiger junger Merlot aus dem Weinviertel. Wird auch hervorragend zu den Vulkanhühnern in Mole passen. Auf Schweine- und Lammfleisch kann ich momentan verzichten, die Bilder der Versuchstiere sind noch zu frisch. Irmi, unsere freundliche Pensionswirtin, tut mir leid. Ich gebe es zu. Aber besser, ihr Traum vom Menschenfreund Grünwald platzt jetzt als später. Dennoch: Es ist nicht schön, so desillusioniert zu werden. Oder schätze ich sie falsch ein? Nur weil sie ein so gutes Frühstück und so großartigen Topfenstrudel macht? Wie viel hat sie zumindest geahnt? Ihr Bruder, der Bauer Zulechner, tut, als hätte er von gar nichts gewusst. Die von der „Beauty Oasis“ hätten ihn gebeten, etwas im großen Schuppen unterstellen zu dürfen. Der sei ohnehin fast leer gewesen. Nur seltsam, dass er den Großteil seiner Tiere in den letzten Jahren weder tot noch lebendig verkauft hat. Grünwald hat ihm wohl deutlich mehr gezahlt als den miesen marktüblichen Kilopreis für Schlachtfleisch. Natalie Veith wertet mit zwei Kollegen von der Wiener Medizinuniversität im Detail aus, was die resveratrolartigen Substanzen bei den Tieren bewirkt haben. Angesichts der Daten, die auf dem Stick waren, meint sie aber, dass Grünwalds Forschertruppe wohl doch nicht gar so weit gekommen sei. Das mit dem Muskelwachstum habe nur teilweise funktioniert, das mit dem Aktivitätspegel besser, aber die ersten DNA-Sequenzierungen deuten offenbar darauf hin, dass es Nebenwirkungen gibt. Ich habe nicht alles verstanden, es geht um Musterverschiebungen bei Genen oder Genabschnitten. Zu einem patentierbaren Mittel für längeres Leben sei es eben noch ein weiter Weg, hat unsere neue Freundin gemeint.
    Jetzt sitzt sie auf unserer Terrasse und hält ihr Gesicht in die Nachmittagssonne.
    Ich gebe etwas Schweineschmalz in eine große Pfanne und röste vorsichtig zwei grob geschnittene Zwiebeln und verschiedene Chilischoten an. Echte mexikanische Mole ist ja eine Wissenschaft, ähnlich kompliziert wie Genetik, und besteht aus beinahe
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