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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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Hat sie? Sie hat mich bloß gebeten nachzusehen, ob es noch Ringelblumencreme gibt. Die Tür. Ich habe zu lange gebraucht. Eine Welle Blut steigt mir in den Kopf. Ausrede. Du bist gut in Ausreden, sagt Oskar immer. Sam ist es nicht, der in der Tür steht. Es ist die junge Frau in dem weißen Hosenanzug, die ich vorher im zentralen Raum des Wellnessbereichs gesehen habe. Sie sieht mich fragend an.
    „Ich habe Sam gesucht“, sage ich, so als ob er sich in diesem kleinen Zimmer versteckt halten könnte.
    „Er fährt auf Urlaub, er ist unterwegs, muss noch einiges erledigen.“
    Die Ringelblumencreme. „Hat er vielleicht noch etwas von der Hildegard-Ringelblumencreme? “
    Jetzt sieht mich die Frau in Weiß doch an, als wäre ich nicht ganz bei Trost. „Wir verkaufen die nicht. Die gibt es an der Rezeption.“
    „Ja, aber da ist sie aus.“ Ich brauche eine bessere Idee. „Professor Grünwald hat mich geschickt. Er hat gesagt, vielleicht hat Sam noch welche, dann soll ich sie mitnehmen. Sie können ihn anrufen ...“ Hoffentlich tut sie das nicht. Irgendwann fallen mir keine Ausreden mehr ein. Wenn Vesna mich hören kann ... Sie hätte alles viel besser geplant, da bin ich sicher.
    Die „Beauty-Oasis“-Mitarbeiterin sieht mich an. „Tut mir leid. Wir haben keine.“
    „Ja dann ...“ Nichts wie raus hier. Bevor Sam doch noch kommt. „Danke! Ich werde es ihm ausrichten!“ Und schon bin ich an ihr vorbei, durch die Tür, finde mich neben dem Springbrunnen mit „mineralisiertem Wasser“ — was immer das sein soll — wieder. Rascher Blick rundum. Zwei junge Mädchen kommen aus dem Hallenbad, sie sind so sehr mit sich beschäftigt, dass ich auch ein Science-Fiction-Monster sein könnte, und sie würden mich nicht wahrnehmen. Die Tür des Massageraums geht auf. Zwei rasche Schritte hinter den Ficus. Sam Miller. Ob er beobachtet hat, dass ich aus seinem Zimmer gekommen bin? Er scheint jemanden zu suchen. Er geht Richtung Whirlpool. Ich schaue zurück. In der Tür zu seinem Zimmer steht die junge Frau in Weiß und sieht mich irritiert an. Lächeln, immer lächeln, Mira. Daran denken, dass hier drin wahrscheinlich ohnehin einige nicht ganz dicht sind. Und: Auf keinen Fall rennen. Ich schlendere, nehme im Vorbeigehen sogar noch eine Paranuss. Und bin draußen.
    Lift nach oben. Wieder nur ich und die Frauen von Klimt. Und jetzt? Ich sehe mich im Foyer um. Mission Ringelblumencreme gescheitert. Mira unversehrt. Ich sollte den Bademantel ausziehen. Die Sonnenbrille dürfte hier wohl als Tarnung reichen. Ich glaube nicht, dass ich die beiden Rezeptionistinnen schon gesehen habe. Sie sind mit Gästen beschäftigt. Offenbar reisen heute einige ab. Sie brauche ich nach der Creme nicht mehr zu fragen, das hat Vesna schon gemacht. Ob ich mich ins Labor verirren soll? Ich kann mich erinnern, dass Grünwald in seinem Büro alle möglichen Cremes hatte. Aber wohl nur die von „Beauty&Young“. Und hier, im Glasschrank neben den Sitzgruppen, sind bloß die Ausstellungsstücke. Wahrscheinlich nur Verpackungen. Moment mal: Wie hat Schwester Cordula gesagt? In der Ringelblumencreme sei etwas drin gewesen, das nicht hineingehöre. Vielleicht hat sie gemeint, dass das Etwas in der Verpackung gewesen ist? Ich schlendere zum Schrank. Heute sitzt niemand in den Fauteuils. Fläschchen, Cremetiegel. Nahrungsergänzungsmittel „nach der bewährten Professor Grünwald Methode“. Karotin, Zink, Eisen. Anti-Aging Night Serum, Rejuvenation Balm. Und in der letzten Reihe die Hildegard-Produkte: Lavendelöl, Galgantpaste, Ringelblumencreme. Und Glas davor. Und dahinter. Rascher Blick durchs Foyer. Kein Grünwald. Keine Lateinamerikaner. Die Rezeptionistinnen noch immer eifrig. Die Gäste sowieso mit sich selbst beschäftigt. Was kann mir schon passieren? Ich versuche das Glas zur Seite zu schieben. Nichts. Vielleicht lässt sich der Schrank von der hinteren Seite öffnen. Wieder nichts. Irgendwo muss ein Schloss sein. Ich sehe keines. Es würde mir auch nichts nützen. Vielleicht nicht schieben, sondern ... Ich entdecke einen winzigen Griff und ziehe und die Glastür schwingt auf. Hildegard-Ringelblumencreme in die große Tasche. Glastür zu.
    Noch einmal ein rascher Blick rundum. Ruhig bleiben, Mira. Du hast es geschafft. Ich versuche, in normaler Geschwindigkeit die Toilette zu erreichen. Rein. Jetzt aber endlich Mantel runter. In die Tasche stopfen. Noch einmal durchs Foyer. Ich bin darauf gefasst, dass mir jemand eine schwere Hand auf
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