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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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Ostler.

Ein zünftiger Leichenschmaus
    Unter dem Begriff Leichenschmaus versteht der Bayer nicht etwa den zornigen Aufschrei eines Vegetariers angesichts einer kross gebratenen Ente, vielmehr ist darunter die Festivität nach einer Leich’ zu verstehen. Die Hinterbliebenen tischen kräftig auf, und sie zahlen natürlich alles. Rein erbrechtlich gesehen schmilzt dadurch die Erbmasse, und mancher direkte Verwandte hat schon scheel auf die schnapsvertilgenden Kegelbrüder und Betschwestern des Verblichenen geschaut. Doch meistens geht es bei solch einem Leichenschmaus friedlich und fröhlich zu. Gut, es ist kein ausgelassener Mardi Gras, kein Dixieland-Jazz-Begräbnis wie in New Orleans, aber viel fehlt nicht dazu. Man redet über den Verstorbenen, natürlich nichts außer Gutes , daran hält man sich, wenigstens beim Leichenschmaus. Nach dem Essen spielt die Musik, dann wird, in Maßen, getanzt. Die kleinen Kinder schlafen unter den Tischen, erste Raufereien heben spielerisch an, Gstanzl über den Verstorbenen werden intoniert, und manch armer Teufel ist nicht nur gestorben, sondern es tritt bei seinem Leichenschmaus auch noch der Rösch Sigi auf und jodelt. Das sind Ausnahmen, aber heute war es so.
    Eine Schlägerei war heute jedenfalls kaum zu erwarten, es traute sich wohl niemand wegen der massiven Anwesenheit von bewaffneter Staatsmacht. Obwohl: Konnte man bei einer solch lädierten Polizei überhaupt noch von Staatsmacht reden? Die Beamten hatten Platz genommen, und ganz ohne Dienstliches ging es natürlich nicht ab. Nach dem ersten Begrüßungsschnaps durch den Wirt –
    »Das ist ein Schnapps, das sage ich euch, ein Schnapps mit zwei p, wie es nur in der Roten Katz einen gibt! Herzliches Beileid alle miteinander! Die erste Runde geht auf mich, auf den Wirt der Roten Katz, prost!«
    – und nach noch einem traditionellen zweiten Schnaps, den die Witwe ausgeben musste, kamen ein paar Hochrufe, ein paar kleinere Reden. Und dann herrschte allgemeines Wirtshausgebrabbel.

    Nicole hatte darauf gewartet. Sie beugte sich verschwörerisch vor. Die anderen neigten sich zu ihr.
    »Interpol hat gerade angerufen«, sagte sie. »Die platzen vor Neid, dass wir die Äbtissin gefasst haben. Sie war übrigens auch bekannt unter den Namen Der Schakal, Der Hammer, Die Zange, Der Mexikaner – und so weiter. Mehrere echt hochkarätige Fälle können nun auf sie zurückgeführt und vermutlich gelöst werden. Und ausgerechnet hier bei uns –«
    »– in diesem Provinznest – das haben Sie doch gemeint, Frau Schwattke?«, sagte Hölleisen schmunzelnd.
    »Woinns raffa?«, sagte Nicole mit gespielt aufbrausender Wut.
    Alle lachten über den Recklinghäuser Versuch, bayrisch zu reden.
    »Nein, ich will keine Rauferei«, entgegnete Hölleisen.
    »Die Äbtissin ist der Hauptfang, gewiss«, sagte Stengele, der sich als Einziger ein Weißbier bestellt hatte. »Trotzdem ist es jammerschade, dass uns die anderen Seminarteilnehmer entkommen sind.«
    Er nahm einen Schluck. Jennerwein hob den gesunden Arm.
    »Warten wirs ab«, sagte der Kommissar. »Becker hat in diesem Punkt vielleicht eine Überraschung für uns.«
    »Ein Blatt mit der Teilnehmerliste, das hinter ein Fensterbrett gefallen ist?«, fragte Maria.
    »Nein, im Ernst. Becker untersucht gerade Froschaugen mit dem Elektronenmikroskop. Es gibt da ein neues optographisches Verfahren –«

    Jetzt aber war kein Gespräch mehr möglich, denn der Wirt der Roten Katz klopfte an eine überdimensionale Pfanne.
    »Saure Knödel – hab ich nicht gemacht, das verstehen sicher alle. Die hätten den Vergleich mit den sour dumplings vom Rainer Ganshagel nie und nimmer ausgehalten. Es gibt vielmehr eine Spezialität von mir, eine aufgeschmaltzene Brotsuppe – aber eine mit tz, das sage ich euch.«
    Seine Frau, die Wirtin der Roten Katz, trug zwei Servierbretter mit überschwappenden Suppentellern herein. Die Witwe Ganshagel ließ es sich nicht nehmen, Jennerwein einen Teller zu servieren.
    »Ich heiße Elsie«, sagte die Witwe, und ihre Wangen waren gerötet vom Kirschgeist.
    »Hubertus, Sie können jederzeit mit mir den Platz tauschen, wenn Sie in Ruhe essen wollen«, sagte Psychologin Maria Schmalfuß, und in ihrer Stimme klang jetzt großer Ärger mit.

    Die ganze Trauergesellschaft machte sich nun über die aufgeschmal tz ene Brotsuppe her, und das tz schmeckte man tatsächlich heraus. Die Gesichter hellten sich nach und nach auf.
    »Wo bleiben denn eigentlich die Ursel und der
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