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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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Während sie wortlos in die Nacht schauten, fragte der Neurologe:
    »Wie es wohl meinem Borreliose-Patienten geht? Wo er sich jetzt herumtreiben wird? Er ist jetzt schon mehrere Tage unterwegs. Ob er sich noch an mich, seinen Unglücksboten, erinnern kann?«
    »Du hast ihn doch gesehen«, antwortete die Internistin. »Der weiß gar nichts mehr.«
    Beide blickten auf die umliegenden Alpenkämme. Sie stellten ihn sich vor, wie er, von einer geheimen Macht getrieben, die Berge durchwanderte und sich bis in alle Ewigkeiten von wilden Beeren und eiskalten Forellen ernährte. Ein Fliegender Holländer der Berge eben.

    Auch in Italien brach die Abenddämmerung herein. Hier war es drückend schwül. In einem der apostolischen Paläste, in einem prächtigen frühklassizistischen Raum mit Gemälden von Francobaldi Cesca an der Wand, mit Skulpturen von Leo Battista auf prächtigen Sockeln, aber auch mit einigen modernen Kunstwerken – in seinem Arbeitsraum also saß der Knollennasige. Er war bekleidet mit einer bequemen Mozetta, der Feierabendtracht. Es klopfte an der Eichentür.
    »Herein!«, sagte der Knollennasige, und Kardinal d’Alviano schritt über den siebenhundert Jahre alten Marmorboden. Er verneigte sich vor dem Pontifex und legte ihm ein Schriftstück vor. Der Knollennasige las es, seufzte und sprach ein kurzes Gebet.
    »Das ist eine traurige Nachricht, die du mir da gebracht hast«, sagte er. »Und die Beerdigung war heute?«
    »Ja, Eure Heiligkeit«, sagte d’Alviano.
    »Sende eine Nachricht zum Pfarrer dieses Kurortes. Ich bin mit den Gebräuchen dort vertraut: Der Pfarrer sitzt sicher noch beim Leichenschmaus. Der Gruß lautet: Liebe Trauergemeinde, herzliches Beileid zum Tod eures Mitbürgers. Ich durfte ihn selbst kennenlernen, er war ein Mensch, der die alten Werte wirklich noch gepflegt hat. Tragisch, dass er auf bestimmte Fragen keine Antworten mehr hat bekommen können.«
    Als d’Alviano gegangen war, erhob sich der Knollennasige und ging zu einem Bild, das er einst gekauft hatte. Es waren lediglich fünf oder sechs verschlungene Bleistiftstriche. Es stellte ein Porträt von ihm selbst dar. Er fand sich außerordentlich gut getroffen. Der Knollennasige wusste nicht, dass er einen echten Wolzmüller im apostolischen Palast hängen hatte.

    TA-TA-TAAA! Die Blaskapelle spielte einen Tusch.
    »Jetzt kommt aber einer!«, schrie der Huber Anton, und da kam tatsächlich einer, nämlich ein freigelassener Gefangener. Der Bürgermeister höchstpersönlich. Auch er eilte sofort zu dem Tisch, an dem Jennerwein saß.
    »Den ganzen Kopf weggefressen«, sagte der Jagenteufel Nikolaus und stürzte noch einen Obstler hinunter. »Spinnst du: den ganzen Kopf weggefressen!«
    »War das eigentlich nötig, diese Umklammerung?«, zischelte der Bürgermeister, während er in die Runde lächelte. »Diese totale Absperrung des Kurorts? Ich will ja gar nicht ausrechnen, was uns das wieder gekostet hat.«
    » Sie müssen ganz still sein«, erwiderte Jennerwein kühl. »So sorglos und fahrlässig, wie Ihr Kämmerer Constantin Rohrmus die Seminare auf der Alm veranstaltet hat! Wenn das bekannt wird, dass ihr bester Freund so ein Schluderer ist, dann können Sie Ihre Wiederwahl vergessen.«
    Der Bürgermeister trat eilig in die Mitte der Gaststube.
    »Kommen Sie mal alle mit vor das Wirtshaus«, rief er. »Ich habe draußen eine Überraschung vorbereitet. Eine Überraschung, die gerade die engeren Freunde des Verstorbenen außerordentlich erfreuen wird!«
    Draußen wies der Bürgermeister hoch zu der Stelle, an der die Hirnbircher Ludmilla am Nachmittag vom Friedhof aus das geheimnisvolle Blitzen gesehen hatte. Dort droben war jetzt so etwas wie ein Schild oder eine Banderole zu sehen.
    »Eine indische Filmgesellschaft hat die weitere Finanzierung des Almbetriebs übernommen«, sagte der Bürgermeister. »Ich habe hart mit den Produzenten verhandelt. Sie drehen dort oben ein- oder höchstens zweimal im Jahr so einen Bollywood-Schinken, dafür ist die Alm den Rest des Jahres für die Bevölkerung frei zugänglich. Und damit das jeder Bürger mitbekommt, haben wir richtig Werbung gemacht. Sehen Sie, was auf dem Banner steht!«
    Die mit den guten Augen konnten es von hier unten lesen:
RAINER-GANSHAGEL-ALM
    Applaus brandete auf.
    »Und was steht da drunter?«, fragte einer. »Das ist doch irgendwas Indisches!«
    »Das ist Hindi«, sagte der Bürgermeister. »Es heißt, frei übersetzt: Griaß Gott. Haxn abkratzen!«
    Das war ein
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