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Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht
Autoren: Julia Arden
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Holzhammermethode ausbügeln zu wollen. Das dürfen Sie Ihren Vorgesetzten wörtlich wiedergeben. Ich stimme Frau Candela hundertprozentig zu, dass keine seriöse Firma Ihnen diesen Termin versprechen wird«, betonte Sylvia.
    Reeder nickte, was wohl heißen sollte, dass er das selbst einsah. Aber danach ging es nicht. Er musste diesen Termin seiner Geschäftsleitung vortragen, und dabei war ihm sichtlich unbehaglich zumute. Aber er gab nach.
    »Also gut. Ich gebe die Pläne so weiter. Ich melde mich bei Ihnen, sobald eine Entscheidung vorliegt.«
    Sylvia und Karen fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten. Sylvia konnte spüren, wie es innerlich in Karen brodelte. Eine plötzliche Wärme durchströmte Sylvia. Instinktiv legte sie ihre Hand auf Karens Arm und lächelte. Karen sah sie überrascht an. Dann erwiderte sie Sylvias Lächeln. »Gut, dass Sie eingegriffen haben. Ich fürchte, ich war kurz davor zu explodieren.«
    »Das habe ich gemerkt«, sagte Sylvia. »Wie wäre es mit einem späten Frühstück, um die Aufregung zu verarbeiten?«
    »Gern«, willigte Karen ein.
    Sie gingen zu einer nahen Cafeteria und fanden einen Tisch in einer gemütlichen Ecke. Die Bedienung war auf Trab und kam sofort, um die Bestellung aufzunehmen.
    »Sie waren bewundernswert beherrscht Sylvia. Wie machen Sie das nur?« fragte Karen, nachdem die Kellnerin gegangen war.
    Sylvia lächelte. »Ich schaffe es auch nicht immer. Aber in diesem Fall hatte ich gar keine Wahl, ich musste Sie beide ja daran hindern, auf einander loszugehen.«
    »Sagt mir der Kerl doch glatt, ich sei inkompetent . . .« Karen holte Luft, um fortzufahren.
    »Vergessen Sie es«, winkte Sylvia ab.
    Doch Karen war nun einmal in Fahrt. »Ich will mich jetzt aber aufregen. Ich hasse es, wenn mir andere sagen wollen, wie ich meinen Job machen soll.«
    »Nun, dann sehen Sie es von der praktischen Seite. Je schneller der Bau fertig ist, desto eher sind Sie uns alle wieder los.«
    Sylvia war auf eine spitze Bemerkung Karens gefasst. Statt dessen hielt Karen schlagartig inne und fragte ernst: »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie loswerden will?«
    Verblüfft durch die emotionale Anteilnahme in Karens Stimme suchte Sylvia nach einer Antwort. »Haben Sie schon vergessen? Ich bin diejenige, die gestern in Ihrem Büro andauernd mit Ihnen gestritten hat. Und Sie sagten doch eben . . .«
    »Aber das ist doch etwas ganz anderes.« Karen schien daran zu liegen, die Sache klarzustellen. »Sylvia! Habe ich den Eindruck erweckt, Sie loswerden zu wollen? Es ist ganz gewiss nicht an dem. Im Gegenteil. Ich mag Sie.«
    Die Nachdrücklichkeit, mit der Karen sprach, erschien Sylvia seltsam. Gleichzeitig verspürte sie eine, wie sie sich selbst sagte, unsinnige Freude über Karens Worte. »Ich würde mich auch freuen, wenn wir Freundinnen würden«, erwiderte Sylvia und fühlte sich merkwürdig verlegen dabei. Sie war es nicht gewohnt, über ihre Gefühle zu sprechen. Und es war überhaupt ungewöhnlich, dass sie sich nach kurzer Zeit so zu jemandem hingezogen fühlte. Was war es nur, das sie an Karens Nähe so genoss?
    Noch bevor Sylvia eine Antwort auf diese Frage finden konnte, hörte sie Karen fragen: »Haben Sie nachher noch etwas Zeit? Ich möchte Ihnen gerne jemanden vorstellen.«
    Sylvia stand versonnen neben Karen, beeindruckt von der Gegensätzlichkeit, die sich ihr hier bot. Die Fotos an den Wänden waren ebenso widersprüchlich wie beeindruckend. Volle Blütenstände. Daneben vom Sturm entwurzelte, hundert Jahre zählende Bäume. Ärmlich gekleidete Kinder. Daneben Modemodels der oberen Zehntausend. Kriegsschauplätze. Daneben Wohlstandsviertel. Gesichter verhärmt, grau und faltig. Daneben strahlend lächelnde Politiker. Alles vom Kleinbild bis überlebensgroß, Einzelbilder und Bildserien. Auf einen Nenner gebracht: leben und sterben. Das Aufhängen und Ausleuchten der Fotos musste Tage in Anspruch genommen haben. Diese Galerie war ein Geheimtipp.
    Eine junge Frau kam jetzt lächelnd auf sie zu. Karen umarmte sie herzlich. »Entschuldige, Ellen, ich habe mich ein paar Minuten verspätet.«
    »Halb so schlimm. Nach deiner aufopferungsvollen Pflege darfst du dir das leisten.«
    Sylvia folgte der herzlichen Begrüßung. Ein irrationales Gefühl der Enttäuschung erfasste sie. Eine Art Eifersucht auf die offensichtliche Vertrautheit zwischen dieser Frau und Karen.
    »Ellen, das ist Sylvia Mehring, Sylvia, das ist meine Schwester Ellen«, stellte Karen die beiden einander
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