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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
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seinen Körper zur Bestattung herrichten wollte, habe man festgestellt, daß er schwarz wie Ebenholz war.“
    „Ich wette, Ihre Mutter wußte das nicht, als sie Ihnen Ihren Namen gab“, sagte sie. „Von jetzt an, glaube ich, werde ich Sie ,Stinker’ nennen.“
    „Nur über meine Leiche!“ wies ich sie zurecht. „Nein“, erwiderte sie, „über seine.“
    In diesem Moment traf der Krankenwagen ein, und ihr Gefrotzel wich einem professionellen Gebaren, das selbst einem erfahreneren Arzt Ehre gemacht hätte. Innerhalb weniger Minuten war Miss Bradshaw, immer noch bewußtlos, in den Krankenwagen verfrachtet worden.
    „Was passiert jetzt?“ fragte ich.
    „Was mich betrifft, ich muß jetzt gehen“, erwiderte sie. „Ich bin am Verhungern, und meine Mutter wundert sich sicher schon, wo ihr kleines Mädchen bleibt.“
    „Ich schätze, ich sollte lieber das Fenster schließen und die Türen verriegeln“, sagte ich.
    „Das ist eine sehr gute Idee“, erwiderte Eleanor, „und ich kann noch eine beisteuern.“
    „Und zwar?“ erkundigte ich mich.
    „Du kannst mich küssen, bevor ich gehe“, sagte sie leise.
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
    „Übung macht den Meister“, murmelte sie. „Bis Dienstag abend. Sei schön brav.“
    „Das ist mein Job“, erwiderte ich. „Brav sein und Gutes tun.“
    „Angeber“, sagte sie und verschwand.
    Bevor ich das Fenster schließen konnte, tauchten aus dem Nichts ein halbes Dutzend Katzen auf und sprangen über die Fensterbank hinweg ins Zimmer wie Pferde beim Hindernisrennen. Jetzt, wo Eleanor weg war, betrachteten sie mich offensichtlich als leichte Beute. Zwei von ihnen strichen mir um die Beine, während die anderen vier auf den Möbeln herumtollten.
    Es klopfte an der Haustür. Draußen stand die Nachbarin, die sich in eine gute Fee verwandelt hatte. Der Kohlenstaub war aus ihrem Gesicht verschwunden, ebenso wie die Mütze und der Regenmantel. Mit ihrer ordentlichen Bluse und ihrem schwarzen Rock sah sie aus wie die alte Dame in der Teereklame, nur ohne Schal.
    „Tut mir leid, daß ich so schrecklich aussah, als Sie kamen“, sagte sie. „Ich war gerade dabei, unsere Kohlelieferung von der Grube herzuschaffen. Mein Sohn arbeitet in der Schicht von zwei bis zehn. Darum mußte ich es selbst machen.“
    „Hat Miss Bradshaw Verwandte?“ fragte ich.
    „Nicht daß ich wüßte“, erwiderte sie. „Sie war ein Einzelkind. Ihr Vater hatte früher ein Fahrradgeschäft am Marktplatz, bis er pleite ging. Wissen Sie, May war schon immer ein bißchen komisch im Kopf. Es fing an, als ihr Verlobter im Krieg umkam — dem Krieg vor diesem letzten, meine ich. Sie verbrachte ihre ganze Zeit damit, die Zeitungen zu lesen und die Katzen zu füttern. Gearbeitet hat sie nie. Allerdings hat sie seit ein paar Jahren keine Zeitungen mehr gelesen. Seit dieser letzte Krieg anfing, um genau zu sein. Sie sagte immer, es erinnere sie so an den ersten Krieg. Also hat sie nur noch die ganze Zeit mit den Katzen verbracht. Warum, weiß ich nicht.“
    Sie machte eine Pause, um Luft zu holen.
    „Daß sie früher gerne Zeitungen las, ist nicht zu übersehen“, sagte ich. „Was mir Sorgen macht, ist, was aus den Katzen werden soll.“
    „Nun, Reverend“, fuhr sie fort, „eines kann ich Ihnen sagen. Ich kümmere mich nicht um sie. Bei der Lebensmittelrationierung gelingt es mir gerade, genug zu essen für mich und meinen Sohn zu beschaffen. Soll der Stadtrat entscheiden, was mit ihnen passieren soll. Und schauen Sie sich dieses Haus an — in was für einem Zustand es ist. Mein Sohn sagt, all diese Zeitungen könnten Feuer fangen, und unser Haus könnte mit in den Flammen aufgehen. Ich sage das nicht gerne, aber vielleicht ist es eine Fügung Gottes, daß sie ins Krankenhaus mußte. Nun wird der Stadtrat etwas unternehmen müssen. Wir haben uns schon früher über die Katzen und die Zeitungen beschwert. Es hieß, da könne man nichts machen, weil es kein gemeindeeigenes Haus sei. Warten wir ab, was sie jetzt unternehmen.“
    Ich entschloß mich zu einem raschen Abgang, um einem weiteren Niagarafall aus Worten zu entgehen. Mir war klar, warum Eleanor sie hatte loswerden wollen.
    „Danke für Ihre Hilfe, Mrs ....“ , sagte ich.
    „Williams.“ Sie nannte ihren Namen mit Lichtgeschwindigkeit.
    „Mrs. Williams“, fuhr ich fort. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, hier abzuschließen und den Schlüssel aufzubewahren? Ich sollte jetzt besser den Pfarrer informieren, was mit Miss
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