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Unter Tage

Unter Tage

Titel: Unter Tage
Autoren: Thomas Ziegler
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zu gefährlich! Wenn die Werksicherungstruppe das zu hören bekommt, fliegen Sie ’raus. Dann ist’s Essig mit den Nächten mit Doris. Dann sind Sie bekannt, bekommen nie mehr eine Stellung, werden überwacht, kontrolliert, für jedes ketzerische Wort zur Rechenschaft gezogen.«
    »Aber es ist doch die Wahrheit!« Benner fuchtelte mit den Armen in der Dunkelheit. »Es ist die Wirklichkeit! Es stimmt, was ich gesagt habe!«
    »Ja selbstverständlich stimmt das.« Corton befeuchtete seine trockenen Lippen.
    »Aber man darf es nicht sagen. Es ist verboten, hören Sie? Es ist verboten!«
    Benner fragte: »Wer hat es verboten? Wer verbietet die Wahrheit?«
    »Die Mächtigen. Die Herren von den planetaren Energiesyndikaten, die Herren von den Werbefabriken, die Herren von den industrieabhängigen Parteien in den Regierungen. Die, die über uns herrschen. Das System, das die Erde zerstörte und den Mächtigen erlaubte, sich auf abgeschiedenen, unberührten Inseln anzusiedeln und die Ohnmächtigen in verseuchten Städten, Flüssen, mit unzureichenden, vergifteten Nahrungsmitteln und verschmutzter Luft zurückließ. Das System verbietet das!«
    »Warum tut niemand etwas dagegen? Warum handelt keiner?« erregte sich Benner.
    Corton antwortete nicht.
    Benner strich über seine verdreckte, rissige Schutzmontur, die die tödliche Radioaktivität des Urans im Gestein abhalten sollte.
    »Dieser Anzug … Haben Sie schon einmal überlegt, warum man uns heute ohne den dazugehörigen Helm hinunterschickte? Ohne eigene Luftversorgung? Das Gift ist doch überall in der Luft, dringt über die Lunge in den Körper ein. Ohne Helm ist es doch sinnlos, die Montur zu tragen. Hat jemand schon einmal danach gefragt?«
    Corton schwieg.
    Ein eisiger Schrecken durchfuhr Benner. »Nein! Nein, das kann nicht sein! Das ist doch Wahnsinn!«
    »Viertausend Mark«, murmelte Corton. »Viertausend Mark pro Mann und Monat.«
    »Hören Sie auf, Corton!« brüllte Benner. »Hören Sie um Gottes willen auf!«
    Der Schrei hallte dumpf in der Dunkelheit wider. Irgendwo raschelte Staub auf den Boden.
    »Nein«, ermutigte sich Benner selber. »Nein, das grenzt doch an Verfolgungswahn. Das kann nicht, das darf nicht sein!
    Das liegt an den Bildern und an der Dunkelheit. Mit ihr kommen die Bilder. Sie sind in unseren Köpfen, Corton, und wenn es finster ist und man sieht und fühlt nichts mehr, dann kommen die Bilder in uns hoch.«
    »Ja«, sagte Corton.
    »Sie sind nicht wirklich, die Bilder, Corton, nicht wirklich. Alles nur Lug und Trug. Sie müssen mir glauben, Corton, Sie müssen mir glauben!«
    »Viertausend Mark, pro Mann und Monat«, wiederholte Corton leise.
    »Seien Sie still! Seien Sie endlich still!«
    Benners Stimme war schrill und hysterisch geworden. »Ich habe mich doch für heute Abend verabredet, das müssen die da oben doch verstehen! Man kann uns nicht so einfach hier unten lassen! Wir sind Menschen, Corton, Menschen wie die da oben!«
    In den Wänden knisterte es. Einige Steinbrocken kamen ins Rollen und fielen vor Benners Füße.
    »Hören Sie das, Corton?« fragte Benner »Hören Sie die Geräusche? Sind das nicht die Geräusche von Bohrmaschinen? Ist man dabei, uns herauszuholen? Antworten Sie!«
    Corton hustete. Er hustete oft. »Nein. Das ist das Gestein. Es arbeitet. Es hat sich noch nicht beruhigt. Hoffentlich hält unser Hohlraum.«
    »Ob Doris an mich denkt? Ob sie weiß, was uns zugestoßen ist? Ob man sie benachrichtigt hat? Was meinen Sie? Wer weiß, vielleicht wartet sie dort oben und hofft auf ein Lebenszeichen von mir. Vielleicht weint sie ein paar bittere Tränen, schluchzt, ist verzweifelt …«
    »Nein, keine Tränen«, krächzte Corton. »Keine Verzweiflung. Es ist früher Vormittag. Sie wird noch schlafen.«
    »Aber man hat sie sicherlich von dem Unglück benachrichtigt. Man wird sie doch irgendwie benachrichtigt haben. So etwas spricht sich wie ein Lauffeuer herum. Oben ist es jetzt bestimmt überfüllt von Neugierigen, Ehefrauen, Freundinnen, Vätern, Brüdern …«
    »Nein, nein. Wird alles verschwiegen, Benner. Das ist keine gute Publicity. Wird alles verschwiegen.«
    Benner fühlte, wie ihm der Angstschweiß ausbrach. »Woher wissen Sie das, Corton?«
    »Sie handeln immer so«, erklärte Corton. »Bis jetzt wußte, vermutete ich es nicht einmal. Aber nun habe ich Gewißheit. Jetzt ist alles klar und logisch.«
    »Wovon reden Sie, Mann?« zischte Benner.
    »Die Gerüchte über Unglücke, Unfälle in den Bergwerken in
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